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Koblenz hatte das Phlegma der Andächtler den grossen Ereignissen der Zeit schweigend zugesehen, ohne im geringsten belebt zu werden. Man wäre Gefahr gelaufen, gesteinigt zu werden, wenn man behauptet hätte, die Freiheit bestünde noch in irgend etwas anderm, als ungestört Prozessionen und Wallfahrten zu halten, oder es gäbe noch eine bessere Regierung, als die kurfürstliche. Nie habe ich Menschen gesehen von so viel Leere und Characterlosigkeit, als hier. Ihr ganzes politisches Gespräch dreht sich um den Kaiser und den Kurfürsten; was Rechte der Menschheit sind, wusste man nicht. Es war eine meiner Hauptbeschäftigungen während meines letzten Aufenthalts Abends die Kirchen zu besuchen, um da den Koblenzer in seinen Gesichtszügen zu studieren. Aber da würde selbst LAVATER verzweifelt sein. Von den Männern sage ich nichts, aber auch nicht ein Mahl ein Weibergesicht war da zu finden, auf dem mein Auge mit Wohlgefallen geruht hätte. Die Züge der niedrigsten Andächtelei, die hier in jeder Miene zu lesen sind, verscheuchen jeden Gedanken an die Grazien und den Liebesgott.

Die Wissenschaften sind im Ganzen biss auf die letzte Spur verschwunden, oder richtiger, es war hier niemahls eine Spur von ihnen zu finden. Was