Johann Nikolaus Becker: Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der Französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris | |
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Wesen treibt. Unser Kapuziner erzählte uns die Legende. Vor langer langer Zeit liess sich im Walde ein Wimmern und ein klägliches Geschrei hören, und eine Stimme: Gottes Noth, Gottes Noth. Ein frommer Schäfer hört’s, und weil er von oben herab inspirirt ist, so merkt er gleich, dass irgendwo ein Christus-Bild in einem Baume versteckt liegen müsse. Er betet drei Ave, beichtet und empfängt das h. Sakrament. Dann geht er in den Wald, rettet den hölzernen Christus aus dem alten Baume und bringt ihn den h. Vätern. Dieser fängt an, Wunder zu thun, die noch biss heute unaufhörlich fortgesetzt werden. Der Zulauf von frommen Sündern an diesem Orte ist sehr gross, und die Kapuziner wissen ihn zu erhalten. Unfruchtbare Weiber zu heilen, hat diess Bild eine besondere Kraft. Qui negat, anathema sit, sagte unser geistlicher Sanskulotte. Ich habe keine Ursache, an der eben genannten Wunderkraft nur im geringsten zu zweifeln. Ein rüstiger Kapuziner hat wohl eher die Familie eines Bauers vermehrt, und einem schönen blühenden Mädchen trotz seines Bartes die Unschuld gestohlen.
Weil es eben Sonntag war, so beredete uns unser Kapuziner leicht, mit ihm in das Kloster zu gehen. Wir fanden die Kirche schon vollgestopft
Johann Nikolaus Becker: Beschreibung meiner Reise in den Departementern vom Donnersberge, vom Rhein und von der Mosel im sechsten Jahr der Französischen Republik, in Briefen an einen Freund in Paris. Christian Gottfried Schöne, Berlin 1799, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JN_Becker_-_Beschreibung_meiner_Reise_1799.pdf/159&oldid=- (Version vom 27.10.2023)