Seite:JüchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/98

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Drei Opferwillige


Frau von Titus eröffnet die stark besuchte Damenversammlung: Meine verehrten Damen! Uns bleibt noch eine hochbedeutsame Aufgabe zu lösen, es ist die Fürsorge für die Kinder bedürftiger Witwen von Kriegern, die den Heldentod gestorben. Wohl sind unsere Kräfte fast erschöpft, aber unerschöpflich soll unsere Opferwilligkeit sein. Ich selbst habe vom ersten Mobilmachungstage an meine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Liebestätigkeit gestellt, aber mit Freude werde ich mich auch an der Lösung dieser neuen Aufgabe beteiligen. Ich bitte die Damen, sich der Reihe nach darüber auszusprechen, wie sie sich zu der neuen Hilfstätigkeit stellen.

Frau Krösus: Ich habe mich persönlich in dem Liebesdienst nicht so stark betätigen können, wie meine verehrte Nachbarin, aber mein Mann hat, wie Sie wissen, namhafte Beträge gespendet. Ich darf die Überzeugung aussprechen, daß mein Mann auch eine Sammlung für diesen neuen Zweck gern unterstützen wird. (Allgemeines Beifallgemurmel.)

Eine unbekannte alte Frau: Meine Arbeitskraft reicht nur noch zum Strumpfstricken, und spenden kann ich auch nicht viel, aber da meine drei Söhne im Kampf fürs Vaterland gefallen sind, und ich so kinderlos geworden bin, erkläre ich mich bereit, eine Kriegerwaise aufzunehmen und großzuziehen. —

Ein leiser Schauer ging durch die Versammlung, und alle die opferwilligen Damen neigten unwillkürlich in stummer Ehrfurcht das Haupt vor den Opfern der unbekannten alten Frau. Es bedurfte einer kleinen Pause, bevor Frau von Titus die Verhandlung fortführen konnte. —

Empfohlene Zitierweise:
Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/98&oldid=- (Version vom 1.8.2018)