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klopfte sie bisweilen auf den Mund, und den kleinen Husar, auf den hundert Franzosen auf einmal geschossen, und der noch lebendig war, mahnte sie bisweilen: „Nun lügen Sie doch nicht so unverschämt, Sie sind doch kein englischer Minister!“ Gerade war die Unterhaltung im besten Fluß, da tönte es draußen: „Tati“, „Tata“, mehrere Autos fuhren vor. Schwester Helene stürzte ans Fenster. Ein Freudenschrei: „Unser Kaiser ist da!“ Noch einige Anordnungen, das Zimmer ist tadellos, alle Insassen sind erzbereit, und schon öffnet sich die Tür. Der Kaiser tritt ein. „Guten Morgen, Kameraden!“ ruft er mit warmer Stimme. Dann geht er von Bett zu Bett, hat für jeden ein labendes Wort, erzählt das Neueste vom Kriegsschauplatz, der frische Lenzhauch der Siegeszuversicht durchweht den Krankensaal und läßt die Gesichter der armen Märtyrer in Glanz und Glut höchster Lebensfreude blinken; endlich spricht der Kaiser: „Na, Kameraden, habt ihr nun noch irgend etwas zu wünschen?“ Mit leuchtenden Augen blicken alle zu ihm auf: Was kann nach solcher Huld noch zu wünschen bleiben? Doch einen jungen, rheinländischen Dragoner, dessen Humor trotz einer Schußwunde in der Brust und eines Bajonettstichs in der Schulter ganz unversehrt geblieben war, juckt der Schalk. „Zu wünschen haben wir eigentlich nichts, Majestät“, ruft er, „aber wenn wir durchaus was wünschen sollen, dann wünschen wir, daß Schwester Helene uns etwas öfter hier Gesellschaft leistet.“ Erstaunt blickt der Kaiser den Chefarzt an, der die vor Verlegenheit glühende Schwester herbeiwinkt. „Schwester Helene“, sagt der Arzt, „hat sich mir geradezu unentbehrlich gemacht, und durch ihr freundliches Wesen ist sie, wie Ew. Majestät hier hören, auch den Verwundeten unentbehrlich geworden.“ „Dann beglückwünsche ich Sie, Schwester", ruft heiter der Kaiser und drückt ihr herzhaft die feine Hand. „Wenn Sie so unentbehrlich sind, haben Sie ja mehr erreicht, als irgendein Mensch.“ „Na, euer Wunsch scheint mir begründet“, wendet er sich an die Soldaten, „er soll nach Möglichkeit erfüllt werden. Lebt wohl,

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)