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Zwischen den Schlachten


Die metallene Sonne des Gasöfchens durchstrahlte mit linder Sommerwärme den kleinen Salon, dessen geschmackvolle Ausstattung auf behäbige Verhältnisse seiner Bewohner, und dessen Hauptmöbel, ein großer Bücherschrank, auf ihre geistigen Interessen schließen ließ. Der Gasofen schien dem durch das Fenster flackernden seidenzarten Streifen der ersten Frühlingssonne Hohn zu sprechen und überließ dieser das harmlose Vergnügen, die großen, weißen Büsten von Schiller und Goethe, die als Schmuckstücke des Salons besonders auffielen, mit einem goldenen Hauch von Heiterkeit zu umspielen. Am Fenster saß in einem Klubsessel, ein Tischchen vor sich, Herr Kerner, in feldgrauer Uniform mit dem Abzeichen des Oberleutnants, ein breitschultriger Mann mit verbundener Stirn, dessen Gesicht, braun wie Eichenholz, ein fahlblonder, ungepflegter Bart umwallte. Dicht neben ihm hatte seine nur wenig jüngere Gattin, eine bleiche Dame mit schwarzem Haar, auf einem leichten Strohstuhl Platz genommen und umschlang mit einem Arm seinen Rücken, während die Hand des anderen Armes über der seinigen auf dem Tisch lag. Der Oberleutnant, der in seinem bürgerlichen Beruf Geschäftsreisender einer großen Tuchfabrik gewesen war, hatte nach seiner gestern erfolgten Heimkehr zwanzig Stunden lang unermeßlich tief geschlafen, dann gut zu Mittag gegessen, sich mit seinen beiden kleinen Jungen unterhalten, den Traumtrank einer echten Upmann-Zigarre geschlürft, von denen ihm seine frühere Firma eine Kiste als Willkommengruß übersandt hatte, und nun empfand er, wegen seiner Verwundung von der russischen Front beurlaubt, ein stolzes Wohlgefühl, wie ein Wanderer, der

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/107&oldid=- (Version vom 1.8.2018)