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diese, ging nun auch das Lebensglück, das sie sich so hold erträumt hatte, in Trümmer. Mochte es sein! Trotzig sprach sie: „Ihr Vorgehen erinnert lebhaft an den Krieg mit seiner Barbarei. Um mich zu zwingen, bombardieren Sie mit dem gröbsten Geschütz drauflos, unbekümmert darum, ob nicht gerade dadurch meine Zuneigung zertrümmert wird, wie man sich im Krieg nicht darum kümmert, ob vielleicht beim Bombardement von Reims zufällig die herrliche Kathedrale in Trümmer fällt.“ — „Liebes Fräulein“, erwiderte er, „über die Kathedrale sind Sie nicht genau unterrichtet. Keine deutsche Bombe würde sie verletzt haben, wenn nicht die Franzosen gerade unter ihrem Schutze ihre Batterien gegen uns aufgefahren hätten, ähnlich wie Sie unter dem Schutz unserer alten Liebe Ihren Trotz gegen mich auffahren, in der Meinung, ich würde mich vor diesem beugen, um nicht den kostbaren Tempel unseres beiderseitigen Lebensglückes zu verletzen. Nichts da!“ rief er mit herrischem Ton, „Ihre Zuneigung, mein Lebensglück, die Freundschaft unserer Familien, alles mag in Trümmer gehen, wenn Sie die Liebe zum Krieg machen.“ „So barbarisch könntest du — könnten Sie sein?“ „Wenn Sie die Liebe zum Krieg machen, was denn anders? Im Krieg ist Zerstörung Pflicht.“ Er sah sie mit leuchtender Leidenschaft an. Ihr Atem ging rascher. Offenbar kämpfte sie mit einem Entschluß. Auf einmal feuchtete sich ihr Blick, ihr Mündchen verzog sich zu zuckender Weichheit, sie schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen. „Reginchen“, jubelte er, „närrisches Trotzköpfchen, ich sage ja nur, wenn du die Liebe zum Krieg machst, aber in Wirklichkeit ist doch die Liebe das gerade Gegenteil vom Krieg, und wenn wir im Krieg barbarisch sein müssen, in der Liebe will ich es doch sicher nun und nimmermehr sein.“ Regina hob ihren Blick, dann flog sie ihm an den Hals, und in seligem Glück hielt der bärtige Krieger das lichte Mädchen umschlossen.

Dann gingen sie hinunter, auch Papa Zeisig hatte sich dort eingefunden, und die Gläser sangen ihr Jubellied zu

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)