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ich bin ebenso überzeugt von Ihrer Zuneigung.“ „Vielleicht ist sie nicht so groß, wie Ihre Zuversicht“, unterbrach ihn trotzig Regina, „Sie mögen im Felde unwiderstehlich sein, aber hier?“ Aus seinem Gesicht schwand der weiche Zug, er durchschaute ihre Absichten: „Das war ja Fräulein Trutz!“ Mit ganz verändertem scharfem Ton sprach er: „Die Beweise Ihrer Zuneigung liegen doch vor!“ „Was für Beweise?“ lachte sie kurz auf, während sie doch innerlich zusammenzuckte. — „Die geheimnisvollen Liebesgaben des Fräulein Trutz und das nicht minder geheimnisvolle Verschwinden einer Photographie.“ Regina erschrak: „Wie können Sie behaupten, daß ich diese verschwundene Photographie besäße?“ rief sie mit schlecht erkünstelter Entrüstung. „Weil sie dort auf Ihrem Tischchen liegt“, triumphierte er, denn sein durch manchen Waffengang geschärftes Auge hatte gleich erkannt, daß das, was bei seinem Eintritt aus dem in Verwirrung hingeworfenen dicken Buch herausfiel, nichts anderes, als seine eigene Photographie war. Mit einem Satz war er jetzt an dem Tischchen, hielt ihr das Bildchen lächelnd hin und betrachtete es dann selbst. „Sehen Sie mal“, sagte er dann spöttisch, „wo jetzt mein Gesicht der Bart umrahmt, den Sie barbarisch nennen, ist auf dem Bild ein weißer Fleck bemerkbar. Ich bin barbarisch genug, auch diesen sonderbaren Fleck als Beweis Ihrer Zuneigung zu deuten.“ Regina machte den Versuch, zu entfliehen, aber er stand mit einem Satz vor der Tür. „Kriegsgefangen!“ rief er mit ausgebreiteten Armen. „Nun, Reginchen, Trotzköpfchen, verstell dich nicht länger, sag, daß du mich lieb hast!“ Ihr kleiner Mund preßte sich im Trotz zur Größe einer Himbeere zusammen. „Wenn ich nun aber nicht will?“ rief sie ungestüm. „Dann würde ich linksum kehrtmachen und dem Vaterland allein Lieb und Leben weihn. Vielleicht trifft mich eine Kugel; aber auch, wenn mir dieses Glück nicht beschieden sein sollte, für Regina Krümchen bin ich tot.“ Sie erbebte. Wie brutal war doch diese Kriegszeit! Alles stürzte zusammen. Zufällig dachte sie an die Kathedrale von Reims. Wie

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/104&oldid=- (Version vom 1.8.2018)