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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis

Schlechte unterdrücken, den Starken zügeln, den Schwachen unterstützen. Solche Leute kommen uns wie Universitätscuratoren vor, welche von dem Wahn besessen sind, als bestände ihr Amt darinn, dieses oder jenes System auf der Universität lesen oder nicht lesen zu lassen, als wären sie die Polizeischergen des Geistes, die an Thoren und Straßen, auf Märkten und Hörsälen lauschen und laufen sollen, damit nicht wider ihre Ein- und Ansicht Güter hineingefahren und vertheilt werden. Solche Menschen, die sich einbilden, sie wüßten was in den geistigen Bestrebungen das Rechte und das Schlechte ist, und es wäre eine menschliche Pflicht, demnach zu erlauben und zu verbieten, stehen zu kindisch im Staat, als daß wir uns nicht schämen sollten, es wie sie zu machen. Gewiß! wer einmal zu einer Wahrheit gekommen ist, verbietet nicht das Unwahre: denn er weiß, daß man nur durch das Unwahre, das litterarisch Schlechte, zum Wahren, dem litterarisch Guten gelangt. Wer die Menschen zur Wahrheit peitschen will, ist ein Narr, dem man den Rücken zuwenden muß.

3) Auf eine völlig ähnliche Art stehen unsere Recensier-Institute als aufgeblähte despotische Herrchen, manche gar als willkürliche Bassen da, und vertheilen nach Lust und Leidenschaft oder gar nach Unwissenheit Bücher an Freunde und Feinde, an Leichtsinnige und Gedankenlose, an Nüchterne und Betrunkene, oder sie vertheilen sie gar nicht, wenn ein Schriftsteller oder Verleger das Unglück gehabt, sich den Haß eines solchen Vielweisen zuzuziehen. Ist einmal ein Buch recensiert, so bleibt der Stab gebrochen, ob gerecht oder ungerecht gilt gleich, ja es muß immer ungerecht seyn, weil er nur nach eines Urtheil gebrochen worden. Eine zweite Recension wird nicht zugelassen. Will der Verfasser etwas dagegen sagen, so muß er solch schwere, unverhältnißmäßige, ja ungerechte und höchst strafbare Einrückungsgebühren bezahlen, daß einige Antikritiken ein Kapital ausmachen. All diese Schändlichkeiten sollen nun durch unsern neuen Plan nicht bloß durch gutmüthigen Entschluß vermieden, sondern durch unsere Einrichtung völlig unmöglich gemacht werden.

4) Von uns wird keine Recension vertheilt. Wer Lust hat ein Buch zu beurtheilen, es geschehe aus Liebe oder Haß zur Wissenschaft oder zum Verf., gilt gleich; der schicke uns seine Arbeit. Nur aus Langweile darf kein Buch kritisiert werden, weil wir eine vollständige Darlegung von der Einrichtung jedes Buchs, eine deutliche Entwickelung der Meynung und des Ideengangs des Verf., und endlich ein in bestimmten, unumwundenen Worten gefälltes Urtheil über den Werth dessen, was geleistet ist, verlangen. Da es einmal unmöglich ist, die Leidenschaften aus der Gelehrten-Welt zu entfernen, so steuren wir diesem Uebel, daß wir bis vier Recensionen von einem Buch zulassen, unter welchen der Verf. selbst eine liefern kann, jedoch mit Nennung seines Namens. Nur so kann ein Buch gewürdigt, nur so können Ungerechtigkeiten, die in einer einzigen Rec. begangen worden, gerügt werden, nur so kann dem Schriftsteller und der Gemeinde ihr Recht wiederfahren. So ist es unmöglich gemacht, daß eine Recension aus Feind- oder Freundschaft unterdrückt werde. Wer eine Rec. eingeschickt, und in einem Jahr nichts davon gehört hat, kann es öffentlich anzeigen. Daß die vier Rec. von vier verschiedenen Verf. seyn müssen, versteht sich natürlich von selbst.

5) Wer nie etwas geschrieben hat, darf nicht recensieren, weil nirgends das Vergeltungsrecht schicklicher ist, als in dem Gelehrtenstaat. Jedem muß man beikommen können, der hier seine Stimme erhebt.

6) Da unser Unternehmen einen freien Verkehr und Streit beabsichtigt, wir auch nicht gemeynt sind, derbe Schreibarten in artige umzuwandeln, vielmehr wollen, das alle Formen, welche deutscher Art sind, hier zur Schau stehen; so verlangen wir, daß jede litterarische Beleidigung nicht anders als auf litterarischem Wege gerächt werde. Litterarische Streitigkeiten, wären es auch Grobheiten, ja selbst Lügen und Verläumdungen müssen nie als bürgerliche betrachtet, und vor den bürgerlichen Richter geschleppt werden, der einem geschriebenen Wort immer einen höhern Werth beilegt als es wirklich hat. Geistige Pfeile müssen nicht wie metallene criminaliter gerichtet werden. Wer ein tüchtiger Mensch ist, kann geistig nicht todt geschossen werden. Wer die bürgerliche Obrigkeit herbeizieht, um die Aeußerungen seines Geistes zu retten, ist ein erbärmlicher Wicht, der nicht in den Staat der Gelehrsamkeit eingreifen muß. Hier brennts!

7) Da uns alle litterarischen Aeußerungen gar keinen bürgerlichen Werth haben, und wir beide Welten gänzlich von einander trennen; so versprechen wir jedem nach seinem Belieben, und in den von ihm gewählten Ausdrücken, öffentlich Abbitte und Ehren-Erklärung zu thun, der sich nur irgend einbildet, von der Zeitschrift gekränkt zu seyn. Da jeder sich hier unentgeldlich Recht verschaffen kann, auch wir unsere Zeit für litterarische Arbeiten brauchen, so wollen wir mit kindischen Klagereien verschont seyn. Überdieß

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Lorenz Oken (Hrsg.): Isis. Encyclopädische Zeitung. Brockhaus, Jena, Heft 1, 1817, Sp. 3–4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Isis_1817_2.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)