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Nun gut – heute schon steht fest, dass die Industrie und Landwirthschaft desto leistungsfähiger sind, je grossartiger sie betrieben werden; mithin liegt es auf der Hand, dass sich die Arbeitskräfte der einzelnen Produktionszweige in der künftigen Gesellschaft möglichst einheitlich organisiren werden.

Möglichst einheitlich – das ist nicht gleichbedeutend mit ”stramm zentralistisch“. Bei unserer Voraussetzung, nach welcher solche Organisationen nicht von oben herab oder von einem Zentrum sozusagen erpresst werden können, sondern auf Grund der augenscheinlichen Zweckmässigkeit sich von allen Seiten gleichmässig und frei gestalten müssen, ist das föderalistische Prinzip förmlich als selbstverständlich gegeben. Grosse, wie kleine Abtheilungen (Gruppen) eines Produktionszweiges können natürlich ihre inneren Verhältnisse ganz nach ihrer speziellen Neigung regeln; es ist da durchaus keine Schablone nöthig. Da arbeitet man vielleicht nur Vormittags, dort nur Nachmittags; in einer dritten Abtheilung zieht man es vor, jeden zweiten Tag Vor- und Nachmittags zu arbeiten, dafür aber jedem Arbeitstage einen Ruhetag folgen zu lassen. In der einen Gruppe führt man gleichmässige Arbeitszeit und gleichmässigen Antheil am Ertrag der Thätigkeit der ganzen Gruppe ein; andere Gruppen überlassen es ihren einzelnen Mitgliedern, bald mehr, bald weniger thätig zu sein und dementsprechend beim Vertheilen des Ertrages gehalten zu werden. In manchen Gruppen wollen vielleicht Alle, die dazu gehören, mehr leisten, als in anderen Gruppen üblich ist, und dafür auch desto reichlicher geniessen, während auch der umgekehrte Fall denkbar ist: Verzicht auf einen Theil der durchschnittlich erreichbaren materiellen Genüsse und dafür desto kürzere Arbeitszeit, resp. desto mehr Gelegenheit zur Ergehung im geistigen Genusse. Unter solchen Verhältnissen ist die Möglichkeit gegeben, dass sich die Neigungen der Einzelnen in ihren verschiedensten Spielarten Berücksichtigung verschaffen, ohne dass der allgemeine Zweck dadurch beeinträchtigt würde. Jeder sucht sich eine solche Gruppirung von Individuen aus, welche in ihren Neigungen den seinigen am nächsten stehen. Aendert sich seine Neigung, so mag er entsprechend seine örtliche Stellung mit einem Andern vertauschen. Das ist eben das Grossartige und Naturgemässe beim föderalistischen System: dass es der individuellen Freiheit den weitesten Spielraum gewährt, aber gleichzeitig auch ein ordnendes Band um alle Elemente schlingt, welche im Grossen und Ganzen den gleichen Zwecken dienen.

Eine zentralistische Organisation hingegen ist stets verknüpft mit einem starren Kasernenwesen. Das menschliche Individuum giebt sich da nicht mehr freiwillig hin, nein, es geht in dem Organismus völlig unter. Konsequent durchgeführter Zentralismus ist Diktatur einer persönlichen Spitze über die Masse – MonarchismusTyrannei! – Konsequent durchgeführter Föderalismus ist wirkliche, d. h. gleichheitliche Freiheit Aller, wie der Einzelnen – ist HerrschaftslosigkeitAnarchismus!