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Karl Leberecht Immermann: Waldmährchen. In: Schriften, Band 10: Münchhausen, Theil 3. S. 141-186

von denen ein verklärender Wiederschein auf das dunkele Mooslager fiel. Daß die Schläferin, wie von einem geheimen Drucke belastet, in süßer Angst zu athmen schien, machte sie in seinen Augen nur noch verlockender, er fühlte, daß sein Herz auf immerdar gefangen genommen sei, und nur an diesem Munde sein Lechzen stillen könne. Ist es nicht Schade, sagte die Elster, die durch die Lucke in die Laube gehüpft war, und sich der Schläferin auf den Arm setzte, daß eine so schöne Prinzessin sich hat müssen einspinnen lassen? – Wie? Einspinnen? fragte der Schüler; sie ruht ja, in ihren weißen Schleier gehüllt. O Thorheit! rief die Elster, ich sage, es sind Spinnweben und der König Kanker hat sie eingesponnen. – Wer ist der König Kanker?

Im menschlichen Zustande war er ein reicher Garnspinnerherr, versetzte die Elster, indem sie wohlgefällig mit dem Schwanze wippte. Er hatte seine Garnspinnerei nicht weit von hier, außer dem Walde, am Flüßchen, und an die hundert Arbeiter spannen unter ihm. Das Garn wuschen sie im Flüßchen. Darin wohnt aber der Nix, und der war ihnen schon lange bitterböse, weil sie mit der ekelhaften Wäsche seine klaren Fluthen trübten,

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Karl Leberecht Immermann: Waldmährchen. In: Schriften, Band 10: Münchhausen, Theil 3. S. 141-186 . Schaub, Düsseldorf 1839, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Immermann_Waldmaehrchen.djvu/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)