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einen Charakter zu gründen. Der Charakter besteht in der Fertigkeit, nach Maximen zu handeln. Im Anfange sind es Schulmaximen, und nachher Maximen der Menschheit. Im Anfange gehorcht das Kind Gesetzen. Maximen sind auch Gesetze, aber subjektive; sie entspringen aus dem eignen Verstande des Menschen. Keine Uebertretung des Schulgesetzes aber muß ungestraft hingehen, obwohl die Strafe immer der Uebertretung angemessen seyn muß.

Wenn man bey Kindern einen Charakter bilden will, so kömmt es viel darauf an, daß man ihnen in allen Dingen einen gewissen Plan, gewisse Gesetze bemerkbar mache, die auf das genaueste befolgt werden müssen. So setzt man ihnen z. E. eine Zeit zum Schlafe, zur Arbeit, zur Ergötzung fest, und diese muß man dann auch nicht verlängern oder verkürzen. Bey gleichgültigen Dingen kann man Kindern die Wahl lassen, nur müssen sie das, was sie sich einmal zum Gesetze gemacht haben, nachher immer befolgen. – Man muß bey Kindern aber nicht den Charakter eines Bürgers, sondern den Charakter eines Kindes bilden.

Menschen, die sich nicht gewisse Regeln vorgesetzt haben, sind unzuverläßig, man weiß sich oft nicht in sie zu finden, und man kann nie recht wissen, wie man mit ihnen dran ist. Zwar tadelt man Leute häufig, die immer nach Regeln handeln, z. E. den Mann, der, nach der Uhr, jeder Handlung eine gewisse Zeit festgesetzt hat, aber oft ist dieser Tadel unbillig, und diese Abgemessenheit, ob sie gleich nach Peinlichkeit aussieht, eine Disposition zum Charakter.