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Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843


Mir war zu Muthe, als sähe ich das Phantom aller meiner schönen und glänzenden Reiseträume; meine Erinnerungen wurden zu Visionen, meine Blicke verdunkelten sich und meine Lampe warf ein blendendes Licht auf alle diese Gegenstände. Mich durchschauerte ein eisiges Frösteln.

Das Feuer im Ofen erlosch und ich fühlte nicht die Kraft in mir, es wieder anzuzünden.

Meine erstarrten Glieder weigerten sich, mir zu gehorchen, und ich fuhr fort, mechanisch in den weiten Einöden umher zu irren, die sich vor mir geöffnet hatten. Allmälig versank ich dann in ein ruhiges und tiefes Träumen.

Die Stille um mich her wurde immer größer; bald hörte ich weder draußen den Wind mehr, noch jene geheimnißvollen Stimmen, die gewöhnlich hinter den halbverbrannten Kohlen eines erlöschenden Feuers zu flüstern pflegen.

Endlich herrschte die Stille überall. Der Wächter auf dem alten Thurme stieß zwölf Mal in sein Horn. Es war Mitternacht.

Ich hörte nun Nichts mehr und schlief ein.

Plötzlich fuhr ich aus meinem Schlummer auf. Ein kurzer, rascher Schlag wurde an meine Thür gethan. – Erschreckt rief ich: „Herein!“

Kaum hatte ich dies Wort so höflich wie möglich für einen plötzlich aus dem Schlaf gestörten Menschen ausgesprochen, als ich auch schon – nicht ohne Furcht – bemerkte, daß ich nicht mehr allein sei ....

Und doch war der späte seltsame Gast Niemand Anderes als Walter – mein guter lieber Walter – dasjenige Wesen, das mir nach Maria das Liebste auf der Welt war.

Walter aber schien so bleich, so entstellt, so ganz anders als gewöhnlich, daß sein Geist, wäre er gestorben und aus dem Grabe gestiegen, um mich zu besuchen, ebenso hätte aussehen müssen.

(Fortsetzung folgt.)

Robert Southey’s Tod.

Der englische Dichter und Geschichtschreiber Robert Southey hat sich durch eine ungemein große Anzahl poetischer und historischer Werke nicht minder, als durch seine republikanischen und kirchenfeindlichen Gesinnungen in der Jugend und sein Eifern für Hochkirche und Torypartei im Mannesalter bekannt gemacht.

Mit dem Stolz dieser Ansichten und der Genauigkeit eines Biographen pflegte er von seiner Genealogie zu sprechen. Sein Vater war ein Leinwandhändler in Bristol und er selbst wurde dort am 12. August 1774 geboren. Nach seiner eignen Angabe kam er als sechsjähriger Knabe in die Erziehungsanstalt eines Anabaptistenpredigers, Namens Foote, genoß dann den Unterricht eines Herrn Flower zu Corston und eines Herrn William Williams, „eines Wallisers, bei dem nicht viel Gelehrsamkeit zu holen war“, und wurde im Jahr 1788 von einem Onkel, Namens Hill, der Gesandtschaftsprediger in Lissabon war, in die Westminsterschule und im Jahre 1792 auf die Universität Oxford gebracht, wo er sich dem geistlichen Stande widmen sollte. Allein er neigte sich damals so sehr zu den Lehren der Antitrinitarier und hegte auch solche revolutionaire Gesinnungen, daß er sich bewogen fand, im Jahre 1794 vor Vollendung seines Studiums die Universität zu verlassen. In demselben Jahre erschienen seine ersten Gedichte in einer Sammlung, die er in Gemeinschaft mit seinem Freunde Lovell unter den Namen Moschus und Bion herausgab. Mit mehren jungen Leuten, unter denen auch Lovell und Coleridge, kam er auf den Einfall, an den Ufern des Susquehannah in Nordamerika eine Musterrepublik zu begründen. Da aber alle Theilnehmer mehr Theorien, als Mittel zur Ausführung besaßen, so mußte dieses Utopien aufgegeben werden. Im Novbr. 1795 verheirathete Southey sich mit Miß Edith Fricker aus Bristol, deren Schwester Coleridge heirathete. Im folgenden Winter machte er eine Reise zu seinem Onkel nach Lissabon, während sein episches Gedicht Joan of Arc oder die Jungfrau von Orleans, das er großentheils schon in Oxford vollendet hatte, bei einem Buchhändler in Bristol erschien. Schon im folgenden Sommer kehrte er dahin zurück, ging dann nach London, reiste 1800–1 auf der pyrenäischen Halbinsel, nahm hierauf eine Stelle als Privatsecretair in Irland an und zog endlich im Jahr 1803 nach Keswick in Cumberland, wo er bis zu seinem Tode in Gretahof wohnte. Als im Jahre 1813 der Hofpoet Pye starb, ward Southey zu dessen Nachfolger ernannt und im Jahre 1821 zum Doctor promovirt. Sir R. Peel bot ihm schon im Jahre 1835 die Baronetswürde an und da Southey diese, wie auch einen ihm mehrmals angetragenen Sitz im Unterhause ablehnte, erhielt er außer seinem Gehalte als Hofpoet noch eine lebenslängliche Pension von 300 Pfd. Strl. Nach dem Tode seiner ersten Frau im Jahre 1837 vermählte Southey sich zum zweiten Mal mit Miß Caroline Bowles, einer der gefühlvollsten und natürlichsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Das Glück ihrer Ehe dauerte jedoch nicht lange. Southey’s Geisteskraft war durch übermäßige Anstrengung erschöpft; eine Wolke umhüllte seinen Verstand und die letzten Jahre vor seinem Tode verbrachte er völlig bewußtlos. Er starb am 21. März 1843 in Gretahof und ward am 24. März neben seiner ersten Frau auf dem schönen, romantischen Kirchhof von Keswick beerdigt.


Empfohlene Zitierweise:
: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_06.pdf/15&oldid=- (Version vom 13.5.2023)