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Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843


Grundriß.
A. B. C. D. Die Zellengebäude des Gefängnisses. – E. F. Wohnungen des Geistlichen und des Directors. – 1. 2. 3. 4. 5. Räume zum Umhergehen. – 6. 7. 8. Höfe – 9. 9. Schläuche zum Herbeiführen von frischer Luft. – 10. 10. 10. 10. 10. 10. Beamtenwohnungen im Grenzwall. – a. Zweiter Eingang. b. Zimmer des Directors. – c. Zimmer des Gerichtsbeamten. – d. Büreau. – e. Zimmer des Wundarztes. – f. f. f. Zimmer des Unterbeamten. – g. Aufenthalt des Schließers. – k. Speisezimmer für die Unterbeamten. – l. Die große Mittelhalle. – m. n. n. n. Corridor der Gefängnißflügel. – o. Schließer. – p. Schließerin. – q. Das äußere Thor.

neuen Gefängniß durchgeführt ist. Folgende Grundsätze werden bei der Disciplin in demselben – welches zu Ostern d. J. seine ersten Pfleglinge erhalten hat – beobachtet. Die Verbrecher können während ihrer Haft jede Arbeit vornehmen, welche ohne Lärmen betrieben werden kann; ausgeführt werden sie nur zum Gebet in die Capelle und behufs der Bewegung in die dazu bestimmten besondern Räume. Bei dieser Gelegenheit muß aber jeder Gefangene eine Maske über dem Gesicht tragen, welche ihm erst genommen wird, wenn er die Bewegungsräume oder die Kirchenstände erreicht hat. Dadurch wird eben sowohl bewirkt, daß die Gefangenen einander nicht sehen, als – da vorzüglich strenges Schweigen beobachtet werden muß – daß sie auch nichts von einander zu hören bekommen, so daß sie in der That so von einander getrennt sind, als ob sie meilenweit von einander entfernt wären. Bücher erhalten die Gefangenen nach dem Ermessen des Geistlichen; täglich müssen sie einmal dem Gottesdienst beiwohnen. Auch Unterricht in verschiedenen Handwerken, namentlich im Schuhmachen und Weben, soll ertheilt werden. Man rechnet dabei 100 Schüler auf einen Lehrer. Stündlich einmal, mit Ausnahme der Nacht, visitiren die Wächter alle Zellen; täglich einmal der deputirte Director und Hauptaufseher. Der Arzt besucht jeden Gefangenen wöchentlich zweimal. Der Oberaufseher muß dem Director jedes Ungebührniß der Unterbeamten anzeigen, über das sich die Gefangenen beklagen; auch ist es den Letztern gestattet, sich an denselben zu wenden, um den Director, den Geistlichen oder den Arzt zu sprechen. Viermal im Jahre dürfen die Gefangenen an ihre Angehörigen schreiben. Sie tragen eine dunkle gestreifte Kleidung; auf dem Kragen sind die Buchstaben: P. P. – Pentonville Prison – roth eingewirkt. Die Wächter haben eine blaue Uniform. Ueber die Kost sind zwar Bestimmungen getroffen, aber – noch nicht jenseits der Mauern des Gefängnisses bekannt geworden.

Das Innere der Gefängnißkirche.


Unser Wochenbericht.

Dem Deutschen ist es bei der Vertheilung des Welthandels so gegangen, wie dem Poeten bei der Vertheilung der Erde.

Der Britte nahm, was seine Speicher fassen,
Der Franzmann liefert aller Welt den Wein,
Der Däne sperrte gar des Meeres Straßen
Und sprach: der Zehente ist mein!

Der Deutsche verweilte während deß im „Land der Träume“ und als er kam, sich auch sein Theil zu holen, da war’s zu spät.

Was thun! spricht Zeus, die Welt ist weggegeben,
Das Meer, das Land, der Markt ist nicht mehr mein.
Kannst vom System, von Theorie du leben,
Es steht dir frei; die freieste sei dein!

Redlich hat sich der Deutsche an die Theorie gehalten, aber leben kann er nachgerade doch nicht davon. Die Schuld, einmal zu spät gekommen zu sein, sollte doch endlich abgebüßt sein! Was hilft es ihm, von allen Nationen am besten zu wissen, wie der freie Handel betrieben werden müßte, wenn alle Welt besser als er weiß, wie der unfreie Handel wirklich betrieben wird? Allerdings ist man in Deutschland theilweise auch schon zu dem Einsehen gekommen, wie unweise, ja wie gefährlich es für den Nationalreichthum sei, den compacten, geschlossenen Ganzen gegenüber, welche die übrigen europäischen Länder bilden, einen vereinzelten, allen Speculationen offenen Spielraum für den Weltverkehr abzugeben, und der Zollverein liefert den Beweis, daß sich diese Ueberzeugung bereits der bei weitem größten Hälfte aller deutschen Staaten aufgedrungen. Aber sehen wir nicht gleichwohl, wie viele Deutsche sich noch nicht entschließen können, geraden den deutschen Nationalreichthum als ein Ganzes zu betrachten, vom dem nicht ein Glied zum Nachtheil des andern ein Stück an sich reißen darf, ohne dadurch der großen Einheit zu schaden? Gerade unsere am Meer wohnenden Brüder, denen wahrscheinlich der größte Gewinn aus einem einigen geschlossenen Deutschland erwachsen würde, sind in dieser Beziehung die feindlichsten, indem sie bei ihrer Absonderung nicht blos sich selbst am besten zu stehen, sondern dadurch auch den übrigen deutschen Staaten den größten Vortheil abzugewinnen glauben. Ob es genüge, sie durch die Zeit über ihren Irrthum belehren zu lassen, oder ob es nicht besser und ihrem eignen Wohl zuträglicher sei, Maßregeln zu ergreifen, durch die sie zum Anschluß an das große Ganze um so eher bewogen würden, wagen wir nicht zu entscheiden. Zu solchen Maßregeln würde unter Anderm gehören, wenn der braunschweigische Harzdistrict, der endlich im Jahre 1844 dem Zollverein einverleibt werden soll, als strenge Zollscheidelinie zwischen dem großen nördlichen Theile des Königreichs Hannover und dem kleinen südlichen – Göttingen – behauptet wird, so daß dieser Zweig, um nicht in seiner Vereinzelung zu verdorren, bald gezwungen wäre, seine Nahrungssäfte von dem gemeinsamen großen Stamme zu beziehen; wenn ferner die Einfuhr über Stettin und andere Ostseehäfen besondere Vergünstigungen vor der über Hamburg und Bremen ertheilt würden und andere mehr. Wir sind jedoch keineswegs geneigt, für Maßregeln dieser Art uns zu erklären; vielmehr weisen wir die Möglichkeit, neue Entzweiungen in Deutschland herbeizuführen, mit Entschiedenheit zurück. Ja, wir sind überzeugt, daß, wie sehr auch Hannover, die Hansestädte und Mecklenburg für jetzt noch gegen jeden Anschluß sein mögen, wenn nicht die neuerdings von Amerika angedrohten Maßregeln, schon das bloße Bedürfniß der Einigkeit denselben früher herbeiführen

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 5 vom 29. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_05.pdf/6&oldid=- (Version vom 21.5.2018)