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Illustrirte Zeitung, Nr. 4 vom 22. Juli 1843

Sieg, der die Entsetzung von Bilbao herbeiführte, ist die schönste militairische Waffenthat Espartero’s und verhalf ihm zu seinem ersten Titel als Graf von Luchana. Hierauf bestrebte sich derselbe, Mannszucht in seine Armee zurückzubringen, und verfuhr dabei mit jenem augenblicklichen Nachdruck, der einer seiner Charakterzüge ist. Zwei Generale, Saarsfield und Escalera, waren von ihren eigenen Soldaten ermordet worden; Espartero verbarg anfangs den Abscheu, den diese blutigen Greuelthaten ihm einflößten und wartete, bis er durch glückliche Erfolge das Vertrauen der Armee gewonnen hatte; kaum aber hielt er sich ihres Gehorsams versichert, als er auch sofort die Schuldigen auf eine so unerwartete als kühne Weise, die ganz geschaffen war, das Gemüth der Soldaten zu erschüttern, bestrafte.

Am 30. Oktober 1837, beim Durchzuge durch Miranda del Ebro, ließ Espartero seine Truppen in Schlachtlinie treten, stellte sich inmitten des gebildeten Quarre’s und sprach in einigen energischen Worten über die Abscheulichkeit des gegen die beiden Generale begangenen Mordes. Hierauf ließ er zehn Soldaten, die als die Mörder Escalera’s wiedererkannt wurden, aus den Reihen treten und nach kurzem priesterlichen Beistande vor den Augen der Armee erschießen, die nun vor den Leichen vorbeiziehen mußte. Zehn Tage darauf, nachdem er in Pampeluna eingerückt war, – dies war der Ort, wo der General Saarsfield ermordet worden – ließ er auf dem Glacis der Citadelle die Truppen ein Quarré formiren, und drohte, sie decimiren zu lassen, wenn nicht sofort die Schuldigen ihm angezeigt würden. Wirklich wurden auch zwölf Soldaten von ihren Cameraden zum Austreten aus den Reihen gezwungen. In diesem Augenblicke kam er Obrist Leon Iriarte, den man hatte holen lassen, heran. Sobald ihn Espartero erblickte, rief er ihm mit lauter Stimme zu: „Man glaubt im Volke, daß Sie an der Ermordung Saarsfield’s Schuld tragen.“ – „Ich bin unschuldig, mein General,“ entgegnete Iriarte. – „Wenn dem so wäre,“ erwiederte Espartero, „so würde es mich freuen; sollten Sie es aber nicht sein, so werden Sie binnen zwei Stunden vor Gott Rechnung ablegen!“ – Tisch und Stühle wurden herbeigeschafft; das Kriegsgericht eröffnete seine Sitzung; die Angeklagten wurden verhört, verurtheilt, und im Angesichte der ganzen Armee erschossen.

Allein zu derselben Zeit, als Espartero seinen Soldaten durch diese Handlungen nachdrücklicher Strenge imponirte, wandte er auch alle Mittel an, um die Liebe seiner Truppen zu gewinnen. Kein Feldherr zeigte sich besorgter für das Wohlsein seiner Soldaten, als er; seine Reclamationen wegen Sold, Nahrungsmittel, Kleidung und Recrutirung der Armee ermüdeten endlich das Ministerium, welches oft das Heer den bittersten Mangel leiden ließ, während es demselben nie an Geld für die Verschwendungen der eben so leichtsinnigen als anmuthigen Königin Christine fehlte, und vielleicht, daß in diesen Weigerungen der Schlüssel zu Espartero’s späterem Benehmen zu suchen ist.

Hierauf kam Espartero auf sein System zurück, zu zaudern oder entscheidende Waffenthaten zu unternehmen, wie sich eben die Gelegenheit dazu günstig zeigte. Längst schon hatte er inzwischen die Idee verfolgt, den Bürgerkrieg auf dem Wege des Vergleichs zu beendigen, weshalb er auch so oft als thunlich hierüber mit den carlistischen Heerführern, die er mehr als Andere für derartige Pläne zugänglich hielt, in Briefwechsel trat. Die Armee des Prätendenten war durchaus nicht disciplinirter, als die der Königin-Regentin, bevor der Oberbefehl an Espartero übergeben wurde. Durch eine jener aufrührerischen Bewegungen, deren es unter diesen Armeen so viele gab, war Maroto General-en-chef der carlistischen Streitmacht geworden. Dieser Maroto aber, ein alter Waffengefährte Espartero’s aus der Zeit der amerikanischen Expedition, schien dem christinischen Obergeneral am zugänglichsten für die Verwirklichung seiner Pläne. Bald wurden Unterhandlungen zwischen beiden Feldherren angeknüpft; sie wurden von beiden Theilen mit der äußersten Behutsamkeit geführt, und die einstweilige Einstellung der Feindseligkeiten war die natürliche Folge davon. Inzwischen beschloß Espartero, der nie vor einer kühnen That zurückschreckte, sobald er sie seinen Interessen für förderlich hielt, durch einen Sieg das Ende der Verhandlungen, die sich schon seit mehren Monaten in die Länge zogen, zu erzwingen. Die Carlisten hatten sich in einer überaus festen Stellung verschanzt, aus welcher sie Einfälle in Castilien unternehmen konnten; an der Spitze von dreißigtausend Mann bemächtigte sich Espartero in den letzten Tagen des Mai’s 1839 durch einen Handstreich jener Position. Bei dieser Gelegenheit wurde er zum Grand von Spanien und zum Herzoge vom Siege erhoben. Eine ununterbrochene Reihe von glücklichen Erfolgen bezeichnete jetzt die Flucht der carlistischen Armee, und am 29. August des genannten Jahres endigte durch den Vertrag von Bergara jener unselige Krieg, der seit sieben Jahren drei schöne Provinzen Spaniens verwüstet hatte. Vierzehn Tage darauf begab sich Don Carlos nach Frankreich. Auch Cabrera sah sich im nächsten Frühjahre genöthigt, daselbst ein Asyl zu suchen, und hiermit war der Friede in Spanien hergestellt und vollendet.

Dies war im Kurzen die militairische Laufbahn Espartero’s. Wie wir bereits angeführt haben, zeigte er sich weniger als großer Feldherr, wie als gewandter Zauderer; aber man kann ihn deshalb nicht der Feigheit oder auch nur der Zaghaftigkeit anklagen, denn er ist nicht besiegt worden und seine Unternehmungen haben niemals einen schlechten Ausgang genommen. Er ging langsam, aber sicher auf sein Ziel los, und in seiner Lage war dies das beste Mittel, das er ergreifen konnte, wenn nicht das einzige. Es mag noch hinzugefügt werden, daß dieses System ihm von seinem Geiste, dessen Haupteigenschaft gesunder Blick und richtiges Urtheil war, wie von seinem Temperament und seiner Gesundheit vorgeschrieben wurde. Kalt, phlegmatisch, wie er überhaupt ist, wurde diese Anlage zur Trägheit noch durch eine schmerzhafte Krankheit gesteigert, die ihn zwang, einen großen Theil seines Lebens im Bett zuzubringen, und ihn hinderte, auch die geringste Anstrengung zu ertragen. Seine Soldaten erzählen, daß sie oft gesehen, wie ihn nach langen Märschen der Schmerz zwang, vom Pferde zu steigen und sich unter lautem Geschrei auf die Erde zu werfen. So ist sein Leben gemischt aus wechselnden Fiebern und langen Perioden von Unthätigkeit.

Nicht minder bedeutend als auf dem Felde des Krieges waren jedoch die Erfolge Espartero’s auf dem Felde der Politik, welches derselbe mit seiner Ernennung zum Oberfeldherrn betrat. Die Revolution von Granja, welche Espartero erhob, hatte zugleich ein Ministerium des Fortschrittes an die Spitze der Regierung gebracht, denn die große Masse der Spanier gehörte schon damals wie noch jetzt zwei großen sich feindlich gegenüberstehenden Heerlagern an, der Partei des Fortschrittes, Exaltados, Ueberspannte, richtiger aber die nationale Partei, genannt, und der Partei der Gemäßigten, Moderados geheißen, eigentlich aber als französische Partei bezeichnet und bald mehr bald weniger offen, dem Rückschritt von der vertragsmäßigen Verfassung von 1837 zu dem octroyirten Estatuto real von 1833 zugewendet. Jener gehört, außer den Männern von 1812, der größere Theil der Städte und die ganze Jugend, dieser der Hof, ein großer Theil des Adels und der Staatsbeamten, und namentlich der minder ehrenwerthe Theil der spanischen Nation an, der sich um König Joseph geschart und seit jener Zeit alle Heil von Frankreich zu erwarten gelernt hat. Es mag sein, daß beide Parteien im Volke von gleicher Stärke sind; bis in die neueste Zeit sind jedoch die Exaltados fast sichtlich im Wachsen begriffen gewesen, und erst seit den letzten Tagen, wo sich die Führer derselben mit den Christinos vereinigt haben, dürfte ihre Zukunft gefährdet erscheinen. Jene stützen sich vornehmlich auf England, welches Spanien, besonders Frankreich gegenüber, frei und unabhängig haben will; diese sind völlig in Frankreichs Interesse, welches durch dieselben die Bourbonischen Familienverträge wiederherstellen und vielleicht einen Orleans auf den spanischen Thron erheben zu können, die schlechtverborgene Hoffnung hegt. Espartero, obwol von wenig ausgesprochener Gesinnung, wurde bei seiner Erhebung den Moderados zugerechnet, scheint aber vielmehr ein ernstlicher Anhänger der Constitution von 1837 zu sein, und ist deshalb den Exaltados wie den Moderados in ihren äußersten Stimmführern in gleichem Maße verhaßt und nur aus diesem Haß das monströse Bündniß derselben erklärbar, welches die jetzige Revolution zu Tage gefördert hat.

Als Espartero zu dem Oberbefehl der Nordarmee berufen wurde, war derselbe mit seinen politischen Ansichten sehr zurückhaltend, sah sich aber doch den Schmähungen der Exaltirten blosgestellt, die er vielleicht durch den passiven aber entschiedenen Widerstand verdiente, welchen er dem durch die Revolution von Granja zur Gewalt erhobenen Ministerium entgegensetzte, über welches er sich weniger für seine Person, als wegen der Hintansetzung seiner Truppen zu beklagen hatte. Nachdem inzwischen Don Carlos seinen damaligen Plan, Madrid durch einen Handstreich zu nehmen, durch das schnelle Heranrücken Espartero’s vereitelt sah, richteten die Offiziere der Garde an die Königin ein Gesuch um Entlassung der Minister, worin diese ein Subordinationsvergehen fanden und auf Bestrafung antrugen, welche Espartero verweigern zu müssen glaubte, weshalb die Minister resignirten, weil sie sich über die Mittel, die Armee zu ihrer Pflicht zurückzuführen, nicht verständigen konnten. Espartero schlug das Kriegsministerium und die Stelle als Ministerpräsident aus, verwendete sich aber für die Ernennung des Generals Alaix, eines ihm wahrhaft ergebenen Mannes, und behielt dadurch großen Einfluß auf die Verwaltung, indem er die Minister nöthigte, seine Forderungen zu befriedigen und es sogar wagen durfte, die Convention von Bergara auf seine eigne Verantwortung und ohne Zustimmung des Ministeriums abzuschließen. Dieses, kaum von der Furcht vor Don Carlos befreit, löste die Cortes auf und recrutirte sich im absolutistischen Sinne, unter andern auch den Kriegsminister seines seines Postens enthebend. Diese Beleidigung entfremdete Espartero, welcher vielleicht schon damals die spätern Rückschritte des neuen Ministeriums voraussah, gänzlich der Partei der Gemäßigten und begründete eine Annäherung zwischen ihm und der Nationalpartei, möglicherweise durch den General Linage, seinen Adjutanten und Secretair vermittelt, welcher es wagte, sich offen über die nachtheiligen Folgen der Auflösung der Cortes und der Veränderung des Ministeriums auszusprechen. Nichtsdestoweniger gaben die Wahlen dem Ministerium eine sehr bedeutende Majorität und führten dasselbe zugleich mit dem Königthum, weil sie ihren Sieg zum Unrecht mißbrauchten, dem Untergang entgegen. Nicht nur entzweite sich das Ministerium durch kleinliche Demüthigungen offen mit Espartero, welchen es doch zur Bezwingung Cabrera’s nicht entbehren konnte, sondern es ging soweit, das erst im Jahre 1837 angenommene Gesetz über die Municipalwahlen – denen, obgleich wesentlich demokratisch, es doch die große Majorität in den Cortes verdankte – durch eben diese Majorität in einem so ganz entgegengesetzten Sinne verändern zu lassen, daß ein Schrei der Entrüstung aus ganz Spanien wiederhallte. Während der schon durch die bloße Vorlegung dieses unheilvollen Gesetzes hervorgerufenen Aufregung bestand die Königin Christine darauf, mit ihrer Tochter zum Gebrauch der Seebäder nach Barcelona zu gehen; allein sie wurde auf der ganzen Reise mit dem Geschrei: „Es lebe die Constitution“ –, die man durch das Ministerium ernstlich bedroht glaubte – „hinweg mit dem Municipalgesetz!“ und selbst mit dem Rufe „Es lebe die Herzogin von Vittoria!“ empfangen. Espartero kannte genau die Stimmung des Volkes und seinem hellen Blicke verbargen sich die Gefahren nicht, welchen die Königin durch ihre verblendete und egoistische Umgebung blosgestellt wurde. Es war in Lerida, wo er mit der Regentin persönlich zusammentraf; er machte derselben die ernstlichsten Vorstellungen; er enthüllte ihr mit soldatischer Offenheit die ganze Gefahr ihrer Lage; vergebens! die Regentin wollte nicht hören; man nannte die Sprache der Wahrheit verletzend, und fand in der männlichen Besorgniß des erfahrenen Feldherrn eine Beleidigung. In diesen Gesinnungen wurde die Königin Regentin noch bestärkt durch ihren glänzenden Empfang in Barcelona, und auch hier wurde die Stimme der Warnung, die von der Stadtbehörde erhoben wurde, übertäubt von dem Geplapper der Schmeichelei. Mit dreifach größerm Triumph, als die Königin, wurde aber wenige Tage später Espartero bei seinem Einzuge empfangen, begeisterte Rufe umgaben ihn und unter diesen auch der: „Tod den Franzosen!“ denen man nicht mit Unrecht die Verblendung der Königin zuschrieb. Ihm wurde überlassen, die Beschwerden eines ganzen Volkes der Regentin vorzutragen, und er verlangte in dessen Namen die Entlassung der Minister und die Zurücknahme des Gesetzes über die Municipalitäten, worüber noch in den Kammern verhandelt wurde. Die Königin verweigerte eigensinnig, was immer dringender von ihr verlangt wurde, und mit dem ganzen Trotz eines launigen Weibes ertheilte sie an demselben Morgen, wo die Nachricht von der Annahme des Gesetzes durch die Cortes einging, die königliche Sanction. Sobald Espartero dies erfuhr, gab er seine Entlassung ein, und als die Königin diese verweigerte, ließ er derselben nur die Wahl zwischen seinen Diensten und denen des Ministeriums, indem er ihr nicht verhehlte, daß nur die Rücknahme des Gesetzes ihr Ströme von Blut ersparen könnte. Schon war der Aufstand organisirt; die öffentlichen Plätze mit Menschen übersät; der Stadtrath in Permanenz; die Straßen verbarricadirt; das Volk bewaffnet. Nach diesen Vorbereitungen begab sich eine Deputation des Stadtrathes zu Espartero, und in dessen Begleitung zur Königin Regentin, um die bereits ausgesprochenen Bitten zu erneuern. Die Königin, bei welcher Espartero mit den Generalen Valdes und Van Halen eintrat, bewilligte nun zwar die Entlassung der Minister, verweigerte jedoch hartnäckig sowohl die Rücknahme des Gesetzes, als die Auflösung der Cortes. Dennoch gelang es Espartero, schon durch dieses eine Zugeständniß das versammelte Volk

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 4 vom 22. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_04.pdf/2&oldid=- (Version vom 6.1.2019)