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und genau dasselbe in bezug auf unser Meter gilt für den gestrichenen Beobachter. Jeder Stab ist für jeden Beobachter ein Meter lang.

Fig. 1

Der gestrichene Beobachter bewege sich mit einer, von uns aus gemessen, konstanten Geschwindigkeit in der Richtung von nach (Fig. 1), und zugleich sei unser Meter. Wir stellen in eine Uhr auf und beobachten den Zeitpunkt , wo der Anfang des gestrichenen Meters an vorbeikommt. Desgleichen merken wir uns den Zeitpunkt , in welchem der Punkt an vorbeigeht und erhalten eine Zeitdifferenz . Dieselbe Art der Messung kann aber auch der gestrichene Beobachter mit seinem Meter und seiner Uhr machen und erhält eine entsprechende Zeitdifferenz . Da aber für jeden Beobachter der Maßstab ein Meter lang ist, jeder Beobachter als ruhend angesehen werden kann und keiner vor dem anderen einen Vorzug hat, so folgen als unmittelbare Konsequenz die Beziehungen:

(1)
(2)

D. h. bezeichnen wir durch die relative Geschwindigkeit des gestrichenen Beobachters, von uns aus gemessen, und durch unsere Geschwindigkeit, vom gestrichenen Beobachter aus gemessen, so muß wegen (2), und da beide Geschwindigkeiten entgegengesetzt gerichtet sind, sein

(3)

Wir wollen jetzt aber die Länge des gestrichenen Meters tatsächlich von uns aus messen. Zu dem Zweck verfahren wir genau so wie bei der Herstellung unserer Kopie. D. h. wir müssen zwei für uns ruhende und synchron laufende Uhren in einer solchen Entfernung , voneinander aufstellen, daß beim Vorbeigehen von der Punkt mit dem Punkt und mit , für uns zu gleicher Zeit zusammenfallen.[1] Wie wir weiter (Nr. 6) sehen werden, ist dann und uns wird es scheinen, als ob das gestrichene Meter sich verkürzt hat. Daraus dürfen wir aber nicht schließen, daß hier eine tatsächliche Verkürzung vorliegt, denn dasselbe könnte ja auch der gestrichene Beobachter von unserem Meter behaupten, und da haben wir keine Verkürzung beobachtet. Daß wir aber dennoch eine solche scheinbare Verkürzung des bewegten Meters messen, folgt daraus, daß wegen (2) die Länge mit der Zeit verknüpft ist, was eine Folge


  1. A. Einstein, l. c. pag. 895.
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Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Das Relativitätsprinzip (Ignatowski). Archiv der Mathematik und Physik, Leipzig 1911, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiRelativ.djvu/5&oldid=- (Version vom 15.9.2022)