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Punkte in bezug auf das Koordinatensystem. Da ist, so ergibt sich wieder, daß sich die Entfernung der beiden Punkte in Richtung, der Bewegung verkürzt hat. Hieraus folgt auch das bekannte Resultat, daß eine im gestrichenen System befindliche Kugel für den ungestrichenen Beobachter als ein in der Richtung der Bewegung abgeplattetes Rotationsellipsoid erscheint.

     Aus den obigen Erörterungen ist es klar, warum wir die beiden Punkte und nicht zusammenfallend gezeichnet haben. Es sind tatsächlich die Systeme und zwei voneinander unabhängige Welten.

     Wir müssen hier auf eine Analogie mit der Optik hinweisen, die sich als sehr fördernd zum Verständnis der Sache erweist. Bekanntlich haben wir in der Optik einen Objekt- und einen Bildraum und eine gemeinsame optische Achse. Objekt- und Bildraum sind untereinander vertauschbar. In unserem Falle können wir das System als Objektraum und das System als Bildraum auffassen oder auch umgekehrt, da auch hier beide Systeme vertauschbar sind. Die Achse der relativen Geschwindigkeit, d. h. die Richtung , vertritt hier die optische Achse. Berücksichtigen wir noch, daß eine universelle Konstante des Raumes ist, so können wir tatsächlich sagen, der Raum besitze die Eigenschaft, die Gegenstände abzubilden, und zwar für jeden Beobachter anders, je nachdem er sich bewegt.

     Daß es sich tatsächlich um eine Abbildung und nicht um eine wirkliche Verzerrung handelt, erhellt aus folgender Überlegung. Wie gesagt, wird eine Kugel im gestrichenen System dem ungestrichenen Beobachter als ein in der Richtung der Relativbewegung abgeplattetes Rotationsellipsoid erscheinen. Für eine dritte Welt, die sich in einer anderen Richtung in bezug auf dasselbe gestrichene System bewegt, wird diese selbe Kugel in Richtung der anderen Relativbewegung als abgeplattetes Rotationsellipsoid erscheinen. Deshalb kann von einer wirklichen Verzerrung keine Rede sein.

     Betrachten wir noch einmal näher die Ableitung von (10). Da in (6) die Zeit enthalten ist, so haben wir bei der Bestimmung der Größe implizite angenommen, daß diese Entfernung an ihren Endpunkten zu gleicher Zeit gemessen wurde, d. h. bei einem bestimmten Wert von , haben also mit anderen Worten eine synchrone Messung gemacht und zugleich vorausgesetzt, daß die Punkte und in bezug auf das gestrichene System ruhen. Und nur in diesem Falle wird die Gleichung (10) richtig sein. Bewegen sich die Punkte und irgendwie in bezug auf das gestrichene System, so gilt Gleichung (10) nicht. Wir kommen weiter darauf zurück.


Empfohlene Zitierweise:
Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Das Relativitätsprinzip (Ignatowski). Archiv der Mathematik und Physik, Leipzig 1911, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiRelativ.djvu/16&oldid=- (Version vom 25.4.2024)