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Über Überlichtgeschwindigkeiten in der Relativtheorie.
Von W. v. Ignatowsky.


Ich habe schon in meinen früheren Arbeiten[1] hingewiesen, daß die Lichtgeschwindigkeit nur für substantielle Punkte als Grenzgeschwindigkeit betrachtet werden kann. Denn in der Wurzel , welche in den Einsteinschen Transformationsgleichungen eintritt, bedeutet die Geschwindigkeit des Koordinatensystems. Nun ist ein solches System kein mathematisches Gebilde, sondern eine substantielle Welt mit ihren Beobachtern und ihrem Instrumentarium. Deshalb können wir annehmen, daß wir einen beliebig bewegten substantiellen Punkt auf Ruhe transformieren können. Die Bewegung irgendeiner Erscheinung, z. B. Fortpflanzung einer Phase, Dilatation usw.‚ können wir im allgemeinen nicht auf Ruhe transformieren, und kann deshalb diese Fortpflanzung beliebig sein.

Bezeichnet irgendeine Geschwindigkeit im ungestrichenen und im gestrichenen System, so ist

[2]. (1)

Ist senkrecht zu und gleich , so folgt aus (1)

(2)

und die zu senkrechte Komponente von ist wegen (2) gleich

. (3)

Um alle Verhältnisse klar zu übersehen, wenden wir uns zur graphischen Darstellung und nehmen zur Vereinfachung an, daß parallel zu ist. Dasselbe gilt dann auch für . Schreiben wir jetzt anstatt , so folgt dann aus (1)

. (4)

Wir setzen jetzt und und erhalten dann statt (4)

. (5)

Um den Nullpunkt zeichnen wir ein Quadrat mit der Seitenlänge (Fig. 1). Außerdem führen wir ein zweites Koordinatensystem ein, parallel dem ersten, und welches um das Stück

(6)

verschoben ist, wobei wir im neuen Koordinatensystem die positiven Abszissen nach links rechnen.

Es werden dann und , ausgedrückt in den neuen Koordinaten und sein:

(7)

Dies in (15) eingesetzt, ergibt:

. (8)

Wir erhalten demnach eine Hyperbel, deren Asymptoten die neuen Koordinatenachsen sind.

Aus (5) ersehen wir, daß die Hyperbel durch die Punkte und des Quadrats gehen wird, d. h. für ist immer . Hat ein negatives Zeichen, so erhalten wir die Hyperbel . Ist , so wird auch sein und umgekehrt, was im Einklang mit den Ausführungen von Einstein[3] ist. Für substantielle Punkte, also in allen Fällen, wo wir auf Ruhe transformieren können, werden wir uns innerhalb des Quadrats bewegen, welches von Hyperbeln für alle möglichen ausgefüllt wird. Sind z. B. und beide größer als , so ist dennoch . Dies ersieht man aus der Fig. 1, wo und ist. Es wird dann durch die Abszisse des Punktes der Hyperbel bestimmt. Bei Vernachlässigung des Relativitätsprinzips (also ) geht die Hyperbel in die Grade über, und wir hätten dann statt den Punkt erhalten und statt , .

Für ist . Für geht von bis , welch letzteren Wert es erreicht, falls wird. Hierbei bewegt sich längs dem zweiten Hyperbelast . Bei ist und bewegt


  1. Ann. d. Phys. 33, 607, 1910, diese Zeitschr. 11, 972. 1910 und Archiv der Mathematik und Physik III. Reihe. 17, 1 und 18, 17.
  2. v. Ignatowsky, diese Zeitschr. 12, 164, 1911.
  3. Einstein, Ann. d. Phys. 17, 891, 1905.
Empfohlene Zitierweise:
Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Über Überlichtgeschwindigkeiten in der Relativitätstheorie. In: Physikalische Zeitschrift. 12. Jahrgang. S. Hirzel, Leipzig 1911, Seite 776. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiLicht.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)