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Kugel ist. Eine Kugel wird aber dem ruhenden Beobachter als ein Ellipsoid, mit dem Achsenverhältnis gleich , erscheinen. Demnach muß sein . Dies ergibt

. (25)

Und hieraus erst folgt, daß für alle Koordinatensysteme konstant ist. Zugleich ersehen wir, daß durch den Zahlenwert von die universelle Raum–Zeit-Konstante bestimmt wird.

Es ist jetzt klar, daß durch obige Ableitung der Transformationsgleichungen die Optik ihre Sonderstellung in bezug auf das Relativitätsprinzip verloren hat. Dadurch gewinnt das Relativitätsprinzip selbst an allgemeinerer Bedeutung, denn es hängt nicht mehr von einer speziellen physikalischen Erscheinung, sondern von der universellen Konstante ab.

Dennoch können wir der Optik bezw. den elektrodynamischen Gleichungen eine Sonderstellung einräumen, aber nicht in bezug auf das Relativitätsprinzip, sondern in bezug auf die anderen Zweige der Physik, und zwar insofernm, als es möglich war, aus diesen Gleichungen die Konstante zu bestimmen.

Wenn wir anderseits die andern physikalischen Gleichungen dem Relativitätsprinzip entsprechend umformen und dabei das Vorkommen in denselben der Konstante ersehen, so brauchen wir durchaus nicht zu schließen, daß hierbei irgendwelche elektrische Kräfte im Spiele sind, sondern folgern vom Standpunkte des Relativitätsprinzips aus nur, daß Raum und Zeit ihr Gepräge auf alle physikalischen Erscheinungen aufdrücken vermittelst der Konstante .

Um noch deutlicher die Bedeutung von zu veranschaulichen, ziehen wir eine Analogie aus der Optik heran, und zwar die Beziehung zwischen Bild und Objekt. Vom rein optisch-geometrischen Standpunkte aus sind Objekt und Bild vertauschbar. Genau dasselbe trifft zu, wenn wir einen bewegten Maßstab beobachten, der uns verkürzt erscheint. Wir können sagen, daß Raum und Zeit uns den bewegten Maßstab abbilden, so daß wir nur das Bild desselben sehen, wenn wir den ruhenden Maßstab als Objekt annehmen.

Wir können also in vollem Maße Minkowski beistimmen‚ welcher in seinem Vortrage „Raum und Zeit“[1] sagt: „Die Kontraktion ist nicht etwa als Folge von Widerständen im Äther zu denken, sondern rein als Geschenk von oben, als Begleitumstand des Umstandes der Bewegung“, eben weil eine universelle Konstante ist.

Zum Schlusse möchte ich noch mit ein paar Worten die vom Standpunkte des Relativitätsprinzips aus möglichen Geschwindigkeiten erwähnen.

Betrachten wir den Ausdruck (24) für .

Von hängt die Verkürzung ab, die wir bei einer mit dem System bewegten Strecke beobachten. Es hat deshalb keinen Sinn, anzunehmen, daß imaginär werden kann, d. h. muß stets kleiner als sein. Was bedeutet aber ? Es bedeutet die Geschwindigkeit des Koordinatensystems , und also kann diese nicht größer als sein. Mit anderen Worten: keines von den Ruhekoordinatensystemen kann sich mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen. Nun dürfen wir aber unter einem Ruhekoordinatensystem nicht etwa nur ein mathematisches Gebilde verstehen, sondern müssen uns dabei eine materielle Welt mit ihren Beobachtern und synchronen Uhren denken. Umgekehrt nehmen wir an, daß wir jeden substantiellen Punkt auf Ruhe transformieren können. Hieraus folgt demnach, daß sich ein substantieller Punkt nicht mit Überlichtgeschwindigkeit bewegen kann.

Nun fragt es sich: Gibt es Geschwindigkeiten, nicht von substantiellen Punkten, sondern von Erscheinungen, die größer als die Lichtgeschwindigkeit ist, abgesehen von Phasen- bezw. von Gruppengeschwindigkeiten? Diese Frage müssen wir im bejahenden Sinne beantworten.

Ohne auf die näheren Details einzugehen, in bezug auf welche ich auf meine letzte Arbeit in den Ann. d. Phys. verweise[2], möchte ich hier nur in Kürze an einem Beispiel diese Frage erläutern.

Aus den Lorentzschen Transformationsgleichungen läßt sich folgendes leicht ableiten.

Es bedeute die Entfernung zweier im System festen Punkte in der Richtung von . Diese Entfernung werde nun vom bewegten Beobachter in synchron gemessen, wobei er die Strecke erhält. Für den ruhenden Beobachter werden dabei die beiden synchronen Uhren, die der Beobachter in an den beiden Enden von aufgestellt hat, um seine synchrone Messung von zu machen, eine Zeitdifferenz aufweisen, die gleich ist:

, (26)

hieraus folgt

. (27)

Nun denken wir uns in dem System einen Stab von der Länge und nehmen an, die Beobachter auf hätten sich verabredet, den Stab zu gleicher Zeit (mit Hilfe ihrer synchronen


  1. l. c.‚ S. 106.
  2. Bd. 33, 607, 1910.
Empfohlene Zitierweise:
Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Einige allgemeine Bemerkungen über das Relativitätsprinzip. In: Physikalische Zeitschrift. 11. Jahrgang. S. Hirzel, Leipzig 1910, Seite 974. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiBemerkung.djvu/3&oldid=- (Version vom 22.12.2020)