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Verhältnis steht zu der Konzentration im flüssigen bezw. festen Zustande, so folgt, daß auch im flüssigen Zustande sich an die Ionen ungeladene Moleküle anlagern müssen, ein Schluß, zu dem bereits Herr Lorentz auf anderem Wege gelangt ist.




W. v. Ignatowsky (Berlin), Einige allgemeine Bemerkungen zum Relativitätsprinzip.


Als Einstein seinerzeit das Relativitätsprinzip einführte, nahm er parallel mit demselben an, daß die Lichtgeschwindigkeit eine universelle Konstante sei, d.h. für alle Koordinatensysteme denselben Wert behalte. Auch Minkowski ging bei seinen Untersuchungen von der Invariante aus, obwohl nach seinem Vortrage „Raum und Zeit[1] zu urteilen, er dem mehr die Bedeutung einer universellen Raum–Zeit-Konstante beilegte, als diejenige der Lichtgeschwindigkeit.

Nun habe ich mir die Frage gestellt, zu welchen Beziehungen bezw. Transformationsgleichungen man kommt, wenn man nur das Relativitätsprinzip an die Spitze der Untersuchung stellt und ob überhaupt die Lorentzschen Transformationsgleichungen die einzigen sind, die dem Relativitätsprinzip genügen.

Um diese Fragen beantworten zu können, wiederholen wir noch einmal, was uns das Relativitätsprinzip an und für sich ergibt.

Haben wir zwei zueinander mit konstanter Geschwindigkeit translatorisch bewegte Koordinatensysteme und , so besagt uns das Relativitätsprinzip, daß beide Systeme als gleichwertig angesehen werden können, d. h. jedes von ihnen kann als ruhend und das andere als bewegt angesehen werden. Mit anderen Worten: wir können keine absolute Bewegung bestimmen.

Sind aber und gleichwertig und können wir im System irgendeine physikalische Größe durch eine Funktion der Parameter ausdrücken, also schreiben

, (1)

so muß die entsprechende Größe im System durch dieselbe Funktion der entsprechenden Parameter ausgedrückt werden können, d. h. es wird sein

. (2)

Angenommen, wir würden durch die ungestrichenen Parameter darstellen, z. B.

(3)

so muß, da und sind, die Gleichung

(4)

richtig sein. Die Gleichungen (1) bis (4) bilden die mathematische Formulierung des Relativitätsprinzips.

Bezeichnet weiter die Geschwindigkeit des Systems in bezug auf , von letzterem aus gemessen, und die Geschwindigkeit des Systems von aus gemessen, so muß augenscheinlich sein

. (5)

Betrachten wir nun einen rein kinematischen Vorgang, wo also nur und in Betracht kommen, so können wir z. B. folgende Gleichung hinschreiben

(6)

und ähnliche für und . Denn und sind als Parameter zu betrachten, durch welche, unter anderen, eine physikalische Erscheinung beschrieben werden kann, und aus (1) bis (4) ersehen wir, daß im allgemeinen nicht gleich zu sein braucht.

Obwohl die folgenden Rechnungen sehr elementar sind, so werde ich hier, zwecks Raumersparnis‚ nur den Gedankengang und die Endresultate anführen, und verweise auf die näheren Details in einem Artikel von mir, der demnächst in dem Archiv f. Math. u. Phys. erscheinen wird.

Wir bezeichnen den Einheitsvektor, der die Richtung in der Bewegung von in bezug auf angibt, durch , legen die - bezw. -Achse in diese Richtung und nehmen weiter zur Vereinfachung an, daß die -Achse die Verlängerung der -Achse bildet. Da der Raum als homogen und isotrop anzunehmen ist, so läßt sich hieraus und aus Symmetriegründen zeigen, daß in der Gleichung (6) und nur implizite durch auftreten können, wo die Entfernung eines Punktes von der -Achse bedeutet. Weiter läßt sich zeigen, daß sein muß und infolgedessen kann nicht von abhängen. Wir können deshalb statt (6) schreiben

(7)

und entsprechend wegen (3) und (4)

. (8)

Nehmen wir das vollständige Differential von (7) und (8), so ergibt sich

(9)

und

(10)

wo usw. die entsprechenden partiellen Differentialquotienten bedeuten, welche wir vorläufig noch als unbekannte Funktionen von bezw. betrachten müssen.


  1. Diese Zeitschr. 10, 104, 1909.
Empfohlene Zitierweise:
Wladimir Sergejewitsch Ignatowski: Einige allgemeine Bemerkungen über das Relativitätsprinzip. Physikalische Zeitschrift. 11. Jahrgang. S. Hirzel, Leipzig 1910, Seite 972. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:IgnatowskiBemerkung.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)