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Was geschah? so riefs, so riefen
Hundert bald – was gab es? Blut? –
Nichts geschah! Wir schliefen, schliefen
Alle – ach, so gut! so gut!


«Pia, caritatevole, amorosissima».
 (Auf dem campo santo.)

O Mädchen, das dem Lamme
Das zarte Fellchen kraut,
Dem Beides, Licht und Flamme,
Aus beiden Augen schaut,

5
Du lieblich Ding zum Scherzen,

Du Liebling weit und nah,
So fromm, so mild von Herzen,
Amorosissima!

Was riss so früh die Kette?

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Wer hat dein Herz betrübt?

Und liebtest du, wer hätte
Dich nicht genug geliebt? –
Du schweigst – doch sind die Thränen
Den milden Augen nah: –

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Du schwiegst – und starbst vor Sehnen,

Amorosissima?


 Vogel Albatross.

O Wunder! Fliegt er noch?
Er steigt empor und seine Flügel ruhn!
Was hebt und trägt ihn doch?
Was ist ihm Ziel und Zug und Zügel nun?

5
Er flog zu höchst – nun hebt

Der Himmel selbst den siegreich Fliegenden:
Nun ruht er still und schwebt,
Den Sieg vergessend und den Siegenden.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Nietzsche: Idyllen aus Messina. E. Schmeitzner, Chemnitz 1882, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idyllen_aus_Messina-Nietzsche-1882.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)