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Idyllen aus Messina.
Von
Friedrich Nietzsche.



 Prinz Vogelfrei.

So häng ich denn auf krummem Aste
Hoch über Meer und Hügelchen:
Ein Vogel lud mich her zu Gaste –
Ich flog ihm nach und rast’ und raste

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Und schlage mit den Flügelchen.


Das weisse Meer ist eingeschlafen,
Es schläft mir jedes Weh und Ach.
Vergessen hab’ ich Ziel und Hafen,
Vergessen Furcht und Lob und Strafen:

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Jetzt flieg ich jedem Vogel nach.


Nur Schritt für Schritt – das ist kein Leben!
Stäts Bein vor Bein macht müd und schwer!
Ich lass mich von den Winden heben,
Ich liebe es, mit Flügeln schweben

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Und hinter jedem Vogel her.


Vernunft? – das ist ein bös Geschäfte:
Vernunft und Zunge stolpern viel!
Das Fliegen gab mir neue Kräfte
Und lehrt’ mich schönere Geschäfte,

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Gesang und Scherz und Liederspiel.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Nietzsche: Idyllen aus Messina. E. Schmeitzner, Chemnitz 1882, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Idyllen_aus_Messina-Nietzsche-1882.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)