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auch mit großen Verschiedenheiten des Gelingens, in jeder jede Ideenreihe ausdrücken läßt. Dieß aber ist bloß eine Folge der allgemeinen Verwandtschaft aller und der Biegsamkeit der Begriffe und ihrer Zeichen. Für die Sprachen selbst und ihren Einfluß auf die Nationen beweist nur was aus ihnen natürlich hervorgeht; nicht das wozu sie gezwängt werden können, sondern das, wozu sie einladen und begeistern.

14. Den Gründen der Unvollkommenheit einiger Sprachen mag die historische Prüfung im Einzelnen nachforschen. Dagegen muß ich hier eine andere Frage anknüpfen: ob nämlich irgend eine Sprache zur vollendeten Bildung reif ist, ehe sie nicht mehrere Mittelzustände und gerade, solche durchgangen ist, durch welche die ursprüngliche Vorstellungsweise dergestalt gebrochen wird, daß die anfängliche Bedeutung der Elemente nicht mehr völlig klar ist? Die merkwürdige Beobachtung, daß eine charakteristische Eigenschaft der rohen Sprachen Consequenz, der gebildeten Anomalie in vielen Theilen ihres Baues ist, und auch aus der Natur der Sache geschöpfte Gründe machen dieß wahrscheinlich. Das durch die ganze Sprache herrschende Princip ist Artikulation; der wichtigste Vorzug jeder, feste und leichte Gliederung; diese aber setzt einfache und in sich untrennbare Elemente voraus. Das Wesen der Sprache besteht darin, die Materie der Erscheinungswelt in die Form der Gedanken zu gießen; ihr ganzes Streben ist formal, und da die Wörter die Stelle der Gegenstände vertreten, so muß auch ihnen, als Materie, eine Form entgegenstehen, welcher sie unterworfen werden. Nun aber häufen die ursprünglichen Sprachen gerade eine Menge von Bestimmungen in dieselbe Silbengruppe und sind sichtbar mangelhaft in der Herrschaft der Form. Ihr einfaches Geheimniß, welches den Weg anzeigt, auf welchem man sie, mit gänzlicher Vergessenheit unserer Grammatik, immer zuerst zu enträthseln versuchen muß, ist, das in sich Bedeutende unmittelbar an einander zu reihen. Die Form wird in Gedanken hiezu verstanden, oder durch ein in sich bedeutendes Wort, das man auch als solches nimmt, mithin als Stoff, gegeben. Auf der zweiten großen Stufe des Fortschreitens weicht die stoffartige Bedeutung dem formalen Gebrauch, und es entstehen daraus grammatische Beugungen und Wörter grammatischer, also formaler Bedeutung. Aber die Form wird nur da angedeutet, wo sie durch einen einzelnen, im Sinn