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Er besucht die Kirche, den Gottesdienst, wie man im Deutschen sagt. Es sollte also doch wohl heißen: in Erfüllung Einer der Pflichten eines Christen, denn es gibt bekanntlich derselben mehrere, ohne deren Erfüllung das Verdienstliche bei der gegenwärtigen, die hier so schlecht weg die Pflicht heißt, auf ein wahres Nichts hinausläuft. Und dieses heißt noch obendrein Gottesdienst. Gütiger Gott, wie verkennt man dich! Man sollte doch endlich einmal Singen, Beten und Predigten anhören mit einem schicklichem Wort bezeichnen, wodurch der wahre Begriff dieser an sich sehr löblichen Handlung einer großen Classe von Menschen, bei denen nicht nur Singen und Beten, sondern Religion selbst eine bloße Sonntags-Affaire ist, zu nicht geringem Heil ihrer Seele näher vor die Augen gerückt würde. Den Götzen und ihren Priestern dient man in den Tempeln; man fröhnt ihnen; der Christ soll seinem Gott da nicht dienen, sondern dienen lernen. Außer dem seinen Nächsten lieben wie sich selbst, und Recht thun, gibt es keinen Gottesdienst in der Welt. Wer das noch nicht weiß und nicht glauben will, der erzeige Sich selbst den Dienst, gehe in die Kirche und lerne es dort. So wie das Kirchengehen, Singen und Beten von Neun unter Zehn jetzt getrieben wird (denn ein Treiben ist es), ist es nicht einmal ein heiliger Börsen-Besuch, wo man wenigstens Neuigkeiten aus dem Reiche der Sitten zu hören wünschte und hoffte. Nein, diese Besuche sind den meisten nur eine Art von wöchentlichem Ablaß, den man am Ende wohl gar noch dadurch einlösen zu können glauben wird, daß man bloß vorfährt und eine Karte mit p. e. s. (pour entendre sermon) abgibt.