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Du, Du bist gemeint. – Ich, höre ich fragen, Ich soll von diesen Weber-Purschen lernen? – Warum das nicht? Lernst du doch, unbefiedertes, zweibeiniges Geschöpf, vom Hunde, vom Storch, vom Fuchs, vom Pferde und dessen berüchtigtem Cousin, den ich nicht nennen will, in der Fabel? Bedenkst du auch wohl, was diese Menschen da auf dem ersten Blatte machen? Gut; sie weben oder wollen weben. Freilich wohl, aber auch Du webst, oder willst weben. Alles was lebt und webt, steht in einem klassischen Buche, und Alles was lebt, webt, könnte wenigstens darin stehen. Ihr Theorieen-Weber, und Ihr Journal-, Romanen- und Republiken-Weber, seid Ihr nicht allzumal Weber? Wie? – Die Antwort erlasse ich Euch gerne, gegen die Erlaubniß, noch ein Paar Worte hinzufügen zu dürfen.

Vor mehr als fünf und zwanzig Jahren habe ich einmal von einem Gemälde in Paris gelesen, das den Apoll mit den neun Musen vorstellte. Er war, wo ich nicht irre, von Vanloo gemalt. Zu diesem Gemälde hatte ein parisischer Künstler ein Glas geschliffen (oder eigentlich hatten sich Vanloo und der Künstler einander in die Hände gearbeitet), das dem Gemälde gegenüber befestigt war. Wenn man nun den Apoll und die neun Musen durch dasselbe beschaute, so sah man weder den Apoll, noch die neun Musen, sondern bloß den Mann, der damals dort mehr als beides galt, Ludwig XV., vollkommen ähnlich. Die Schmeichelei war wenigstens nicht schlecht ausgedacht, und der Cours der Schmeicheleien möchte überhaupt gewinnen, wenn sie immer mit so vieler Kunst und Anstrengung geprägt würden. – Wozu nun alles dieses? Ich meine, es würde nicht viel Kunst erfordern, ein Glas zu schleifen, wodurch die beiden Webstühle des ersten Blattes in Thronen oder Catheder anamorphosirt werden könnten. An Unterthanen sowohl als Auditoribus könnte es nicht fehlen, da der Möbeln und Striche hier so viele sind, aus denen sich Alles machen läßt[1].


  1. Ich kann nicht läugnen, daß es mich bei den jetzigen ungeheuern Fortschritten in den optischen Wissenschaften, wodurch selbst die gewöhnlichsten Menschen in den Stand gesetzt worden sind, Entdeckungen zu machen, oder am Himmel zu messen, so wie Damen etwa oval drechseln, nicht wenig befremdet hat, daß noch Niemand auf den Einfall gekommen ist, diesen großen Wink der Natur, ich meine die polyhedrischen Gläser aller Art, politisch und statistisch zu nutzen. Denn, da sich offenbar durch diese Gläser nicht allein einzelne Hirsche und wilde Schweine zu ganzen Heerden, sondern auch einzelne Soldaten zu ganzen Bataillons, mit sehr geringem Aufwand und ohne allen Schaden für das Land, vervielfältigen lassen, so könnte manchem Monarchen der zwölften Größe, der alles dieses nur zum Staat oder Zeitvertreib hält, ein großer Dienst damit geschehen, und ein noch größerer den Unterthanen. Ja es ist und bleibt in dieser Rücksicht eine Frage, ob nicht gerade dieser Gebrauch vom geschliffenen Glase dem menschlichen Geschlechte mehr wahren Nutzen gewährte, als alles, was es uns bis jetzt über Sternen-Nebel und Infusions-Thierchen gelehrt hat. Man hat über der Vergrößerung der Gegenstände die Vervielfältigung derselben vergessen, die ungleich mehr werth ist.