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den selbst höchst verderblich sein, wenn es unbeachtet bliebe, dieselbe mit Anordnungen zu verbinden, welche das Andringen zu den höhern Stellungen im Leben auch bei der Judenschaft auf dasjenige Maaß zurückführen, welches sich bei den Christen aus den Lebensverhältnissen der verschiedenen Stände bei voller Freiheit der Wahl der Beschäftigung ergiebt. Die Bitterkeit, welche dieses Andringen schon jetzt kenntlich genug erzeugt, steigerte sich dann unvermeidlich zu solchem Umfange und zu solcher Kraft, daß die Macht der öffentlichen Meinung die Judenschaft weit empfindlicher treffen würde, als die gesetzlichen Beschränkungen, welche die Regierungen jetzt noch bestehen ließen.

Betrachtungen, wesentlich aus der vorstehend entwickelten Ansicht, sind schon längst selbst von verständigen Juden angestellt worden. In dem Gedächtnisse der ältern Zeitgenossen wird die Erinnerung an das „Sendschreiben einiger Hausväter jüdischer Religion an den Probst Teller zu Berlin“ noch nicht erloschen sein, welches im Jahre 1799 durch den Druck veröffentlicht wurde. Diese Hausväter, ausgezeichnete und allgemein geachtete Mitglieder der Berliner Judengemeinde, erkannten wohl, wie sehr ihre Ritualgesetze sie verhindern, an allen gewerblichen und geselligen Verhältnissen der Christen Theil zu nehmen; sie hielten sich jedoch überzeugt, daß diese Ritualgesetze nur ein außerwesentlicher Zusatz zu der Religion ihrer Väter sind, deren Kern nach ihrer Ansicht in dem Glauben an einen allmächtigen und allwissenden Gott, der die Welt regiert, an eine Fortdauer des Menschen über das Ende seines irdischen Lebens hinaus, und an Folgen seiner Handlungen auch in jener Zukunft besteht. Die Zeit, worin die Beobachtung dieser Ritualgesetze noch ein Bedürfniß des jüdischen Volkes war, ist ihrer Ueberzeugung nach längst verschwunden, und den Lehrern dieses Volkes liegt jetzt die Verpflichtung ob, deren

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Johann Gottfried Hoffmann: Zur Judenfrage. Berliner Lesekabinett, Berlin 1842, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoffmann_Zur_Judenfrage.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)