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eine weit ausgedehntere Stellung einnimmt, als dieselbe nach Maaßgabe ihrer Anzahl einnehmen würde, wenn ihre Religionsgebräuche keinen Einfluß auf die Wahl ihrer Erwerbsmittel hätten. Dasselbe Verhältniß würde sich auch in den höheren Regionen des Staatslebens offenbaren, sobald die Landesverfassung sie nicht mehr hinderte, dahin zu gelangen. So billig einerseits die Anforderung ist, daß die Religionsverschiedenheit Niemand hindern sollte, von seinen körperlichen und geistigen Kräften den möglichst vortheilhaftesten Gebrauch zu machen; so billig erscheint anderseits auch die Bedingung, daß Religionsverhältnisse kein besonderes Andringen zu den mittlern und höhern Klassen der bürgerlichen Gesellschaft dadurch veranlassen sollten, daß sie der Theilnahme an den Arbeiten der zehn- und hundertfach zahlreicheren niedrigern sehr erhebliche Hindernisse entgegenstellen. Wenn einerseits der Vorwurf zurückgewiesen wurde, daß Arbeitsscheu und Mangel an Stetigkeit den Juden abhalte, sich den ländlichen, Handswerks- und Fabrik-Arbeitern der Christen anzuschließen; so darf anderseits einer Meinung auch nicht Raum gegeben werden, welche den Juden höhere geistige Fähigkeiten beilegt, als dem Christen. Indem eine Masse von Erfahrungen beweist, wie viele glückliche Geistesanlagen unter der Last schwerer körperlicher [1] Arbeiten unausgebildet verkümmern müssen, weil auch die reichsten Nationen noch viel zu arm sind, um ihrem Handarbeiterstamme Raum zur vollständigen Entwickelung seiner Geisteskräfte zu geben; so kann es diesen gegenüber nur als Anmaßung erscheinen, wenn als besondere Gunst der Natur geltend gemacht werden will, was nur die Frucht eines Lebensverhältnisses ist, das zur sorgfältigen Ausbildung der natürlichen Anlagen zwingt, welche da, wo solche Verhältnisse nicht bestehn, mehrentheils unentwickelt bleiben. Eine vollständige Gleichstellung in politischen und bürgerlichen Rechten, würde für die Juden


  1. Original: körperlichen
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Johann Gottfried Hoffmann: Zur Judenfrage. Berliner Lesekabinett, Berlin 1842, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoffmann_Zur_Judenfrage.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)