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Judengemeinden, westwärts derselben und im ganzen schlesischen Gebirge, sowie auch in der Lausitz wohnen nirgends Juden in erheblicher Anzahl beisammen. Ebenso hat auch ganz Ostpreußen mit Einschluß von Ermeland außer der ansehnlichen Judenschaft in Königsberg keine Judengemeinde von auch nur 300 Mitgliedern. Diese Verhältnisse verdienen deshalb eine vorzügliche Beachtung, weil die sittliche Stellung der Judenschaft im bürgerlichen Leben sehr wesentlich davon abhängt, daß es ihr möglich bleibe, eigene Anstalten für den Elementarunterricht und für die Verpflegung der Armen und Kranken zu unterhalten. Das vermögen aber nur zahlreiche und wohlhabende Judengemeinden; wo diese nicht vorhanden sind, kann die Theilnahme der zerstreut wohnenden Juden an dem Elementarunterrichte, der Armen- und Krankenpflege der Christen den Mangel eigener Anstalten hierzu nur sehr unvollkommen ersetzen.

Nicht eine besondere Angelegenheit der Judenschaft, sondern eine allgemeine der Regierungen ist die kräftigste Entwicklung der geistigen und körperlichen Kräfte dieses Theils der Bewohner ihres Machtgebiets in der würdigsten und gemeinnützigsten Richtung. Wäre diesem ernsten Bedürfnisse dadurch wesentlich zu genügen, daß aller Unterschied in bürgerlichen und politischen Rechten zwischen Juden und Christen gänzlich aufgehoben würde; so könnten weise Regierungen durchaus keinen Anstand finden, diese Gleichberechtigung unbedingt auszusprechen. Aber die große bis jetzt noch unbesiegte Schwierigkeit liegt darin, daß die Juden durch ihre Religion selbst genöthigt sind, eine besondere Nationalität zu bewahren, obwohl sie längst aufgehört haben, einen selbstständigen Staat zu bilden, und nur noch zerstreut unter anderen Nationen leben. Es kann durchaus kein Zweifel darüber bestehen, daß in einem selbstständigen, von Juden bewohnten und regierten Staate ebensowohl

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Johann Gottfried Hoffmann: Zur Judenfrage. Berliner Lesekabinett, Berlin 1842, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoffmann_Zur_Judenfrage.pdf/21&oldid=- (Version vom 1.8.2018)