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wird den besten Künstler so hoch schätzen, als den wackern Kanzellisten, ja den Handwerksmann, der das Polster stopfte, worauf der Rath in der Schoßstube,[1] oder der Kaufmann im Comptoir sitzt, da hier das Nothwendige, dort nur das Angenehme beabsichtigt wird. Wenn man daher mit dem Künstler höflich und freundlich umgeht, so ist das nur eine Folge unserer Kultur und unserer Bonhommie, die uns ja auch mit Kindern, und andern Personen, die Spaß machen, schön thun und tändeln läßt. Manche von diesen unglücklichen Schwärmern sind zu spät aus ihrem Irrthum erwacht und darüber wirklich in einigen Wahnsinn verfallen, welches man aus ihren Aeußerungen über die Kunst sehr leicht abnehmen kann. Sie meinen nämlich, die Kunst ließe dem Menschen sein höheres Prinzip ahnen und führe ihn aus dem thörichten Thun und Treiben des gemeinen Lebens in den Isistempel, wo die Natur in heiligen, nie gehörten und doch verständlichen Lauten mit ihm spräche. Von der Musik hegen diese Wahnsinnigen nun vollends die wunderlichsten Meinungen; sie nennen sie die romantischste aller Künste, da ihr Vorwurf nur das Unendliche sey; die geheimnißvolle, in Tönen ausgesprochene Sanscritta[2] der Natur, die die Brust des Menschen mit unendlicher Sehnsucht erfülle, und nur in ihr verstehe er das hohe Lied der – Bäume, der Blumen, der Thiere, der Steine, der Gewässer! –


  1. Die Stube, in der der Schoss d. i. die Steuer gezahlt wird.
  2. bezieht sich auf Sanskrit, das im 18. Jahrhundert als Ur-Sprache des Arischen galt.