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EIN ABSCHIED

Einst war das Wort von Tod und Untergang
Euch nur die Form für letzten Überschwang –
Einst war das Wort, daß nichts mehr bliebe
Euch nur der Lockruf letzter Liebe.

5
Nun steht ihr schweigend – alles ist versunken,

Ihr habt zu früh den Becher ausgetrunken –
Dem Genius eurer Herzen sinkt die rote Fackel
Und eurer Liebe heil’ges Tabernakel.

Liegt euch zertrümmert an der Erde.

10
Was euch undenkbar schien, daß es je werde,

Ist nun geschehn. Die Abendschatten schreiten
Über den Park – des letzten Tags Entgleiten.

Stumm seid ihr, während euer Herz zerbricht
Und euer Mund sinnlose Worte spricht.

15
Ihr geht zur Nacht. Die trank wohl manches Lebens Rot,

Und eure Seele weint um euren jungen Tod.

Ihr geht, und eure Lippen schließt die Scham –
Ihr geht und wißt kaum, waß euch alles nahm.
Ihr geht und wißt, ihr werdet weiterleben

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Voll Hohn wohl wieder lächeln, lieben, nehmen, geben.


Empfohlene Zitierweise:
Sophie Hoechstetter: Vielleicht auch Träumen. Müller, München und Leipzig 1906, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoechstetter_Vielleicht_auch_Traeumen.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)