den Boden, so daß die Gruppe von meinem Standpunkte sich ausnahm wie ein Polyp mit gierig zuckenden Armen. Die nicht nahe genug waren, um sich an der Konkurrenz zu betheiligen, sahen geringschätzig und neidisch hin – wenn ich aber den Soldo in weiter ausgreifendem Bogen bis zu ihnen warf, thaten sie genau ebenso. Und immer hingen an meiner schleudernden Hand so und so viele saugende Augen. Auf seiner Flugbahn begleiteten sie das Kupferstück durch die Luft. Um Einen Soldo! Aber multipliziren Sie diesen Soldo, meine Herren, und Sie werden finden, daß nicht nur auf dem Marktplatze zu Amalfi Aller Augen auf ihn gerichtet sind. … Anfangs, sage ich, war es ein Spaß. Nun vermehrten sich die Mitwerber. Die müßigen Fischer kamen von der Marina hergelaufen. Die Eseltreiber banden das Thier an, um freie Hand zu haben. Die wandernden Verkäufer brachten ihre Waare in Sicherheit, um mitzuthun. Geschäftsleute wurden zu Bettlern. Kurz, Handel und Wandel stockte. Und die Straßenpolizei? Es war ein Wachmann da, der wohl Versuche gemacht hatte, die Leute auseinanderzujagen, es dann aber als hoffnungslos aufgab. Er stand nun da, mit gerunzelten Brauen, gekreuzten Armen, würdevoll und mißbilligend. Erheitert nahm ich ihn zum Ziele. Er blieb unbeweglich im Soldo-Regen. Als aber eine der Münzen dicht genug an ihn herankam, da schnappte er mit dem Munde, wie der Hofhund, der eine Fliege fängt, und weg war sie. Ich hielt mir die Seiten vor Lachen … Mein Geldvorrath wurde geringer. Dagegen wuchs die Aufregung der Menge. Die schon etwas hatten, wollten noch mehr; die Anderen, die Ungeschickten oder Schwachen, ergrimmten. Heftiger kämpften sie um jedes Stückchen Kupfer, das unter sie fiel. Die Weiber kreischten, die
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)