den Rath, sie hinter einem Vorhang singen zu lassen … „Nein“, sage ich ihm darauf, „die wird nicht hinter einem Vorhang singen, denn sie wird, noch mehr als durch ihre Stimme, durch ihre Schönheit das Publikum hinreißen. Heute ist sie eine Vogelscheuche, ich werde sie aber in die Hand nehmen und aus ihr eine Beauté machen. Ich werde sie arrangiren. Ich kann das … „Wenn Sie mir das zeigen, Spangelberg“, sagte er, „dann sind Sie ein Meister!“ … Nun, ich konnte es zwar nicht ihm zeigen, er war nämlich inzwischen auf die glure Farbe gekommen, – aber ich habe es der Welt gezeigt. Wer etwas von meiner Kunst versteht, wird zugeben, daß es wirklich ein Meisterstück gewesen. Denn ich habe aus jener Schustertochter die Geraldini gemacht.“
„Nicht möglich, die Geraldini?“
Spangelberg streichelte den Bart, warf seine Cigarre weg, brannte sich eine neue an und wiederholte schlicht: „Wie ich Ihnen sage, mein Lieber, die Geraldini … Ich habe sie arrangirt. Ein Anderer würde das nie aus ihr gemacht haben. Es gibt ja unter meinen Kollegen oder Konkurrenten auch einige schneidige Jungens, die mir in Manchem überlegen sind. Binzer zum Beispiel, der schlechte Kerl, ist in der Intrigue hervorragender als ich. Andere sind geschickt im Erfinden neuer Coups, um die Aufmerksamkeit zu erregen. Ich arbeite meistens reell, ich biete etwas. Von den Impresarii, die sich nur in den alten Geleisen bewegen, will ich gar nicht reden. Die sind eigentlich bloß Reisemarschälle, Geschäftsführer, bessere Lakaien ihrer Künstler. Das war ich nie. Ich stehe über meinem Virtuosen, denn ich bin selber einer. Und was ist seine Kunst ohne die meinige? Er wendet sich, wenn
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/64&oldid=- (Version vom 1.8.2018)