und glur sei das Allerschönste. War ein talentvoller Kerl. Schad’ um ihn! … Wir gehen also, Mäusel und ich, schlürfen mit Wollust unsere Cigarre, lassen die Weinschwere vom Souper verrauchen. Auf einmal – warten Sie, da muß das Haus bald sein – hören wir eine schöne, junge Stimme ein Lied singen. Ich mache noch einen Witz über nächtliche Ruhestörung oder dergleichen. Der Mäusel aber – der viel mehr von Musik verstand als ich – packt mich ganz aufgeregt am Arm und sagt mir: „Mensch, das ist ein Wunder von einer Stimme!“ … Ich spitze natürlich gleich die Ohren und schnuppere die Fährte auf, wie ein Jagdhund. Kurz und gut, was soll ich Ihnen da viel sagen: Ich mache das Mädchen ausfindig, dem die Stimme und die Schustersleute, denen das Mädchen gehört. Am nächsten Morgen gehen wir – Mäusel wollte durchaus dabei sein – zu dem Papa Schuster (Klimpfinger hieß er) und ich gebrauche den unscheinbaren Vorwand, mir ein Paar Stiefel zu bestellen. Lerne das Mädchen kennen – ein Entsetzen! Sie war abschreckend häßlich und ungepflegt. Lang, dürr, trotz ihrer neunzehn Jahre, waschrothe Hände, unreiner Teint, verkniffene Augen, großer Mund – ein Ekel. Und doch hatte sie etwas im Blick, das mich gleich stutzig machte.
Wie wir nachher aus der Stube, in der es nach Kleister, Armuth und Verwahrlosung roch, wieder im Freien waren – schauten wir uns an: „Nun, Mäusel, was sagen Sie? …“ Er sagte gar nichts, schnitt nur eine klägliche Grimasse, wie Einer, der etwas Widerwärtiges geschmeckt hat. Ich mache ihm spaßhafte Vorwürfe; sein gestriger Enthusiasmus koste mich ein Paar elende Stiefel und eine Illusion. Er war ganz zerknirscht, erbot sich, einen Stiefel zu tragen, und gab mir schließlich
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)