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Holzmann. Fräulein Holzmann war eigentlich ein Kind, das man nur bei Tisch für eine Erwachsene halten konnte, weil es gar ernst und gemessen zwischen seiner Mutter und dem Baron Rosen saß. Wenn Sarah Holzmann aufstand, sah man, daß sie noch ein kleines dürres Ding war, vielleicht vierzehn und ein halbes Jahr alt. Die Mutter war eine schöne Frau im Verblühen.

An diesem Tage nun kam Herr Hellmund in einiger Erregung zu Tische. Er grüßte wichtig nach rechts und links, und wollte sich die Erzählung des Zwischenfalles allmählich entreißen lassen. Aber Niemand fragte. Am Ende war der ganze Lärm unbemerkt geblieben? Herr Hellmund wartete bis nach dem dritten Gange, dann brachte er die Geschichte selbst vor. Ob die Damen bei dem Geheul am Vormittag nicht erschrocken wären?

Die Tischnachbarinnen verneinten. Sie waren nicht zu Hause gewesen. Der Hofrath fragte langsam: „Welches Geheul meinen Sie?“

Herr Hellmund sagte: „Die singenden Hunde. Das war eine schöne Bescherung. Sie sahen wohl den Mann, der gestern Abends mit seiner Meute eintraf und sich ein Zimmer geben ließ, wie ein richtiger Gast?“

Alle aßen gerade, und man hörte die fette Stimme des Herrn Hellmund im ganzen Kreise: „Wissen Sie, was er war? Ein Hundeprofessor!“

„Was ist das?“ lachte Herr v. Rosen.

„Das ist ein Akrobat oder Clown, der mit Hunden auftritt. Er bekam das Zimmer neben mir. Ich hatte eine gestörte Nacht. Jeden Augenblick gab ein anderer Hund Laut. Oder war es immer derselbe? Jedenfalls antworteten ihm seine Kollegen mit Winseln und Gebell, bis der Professor mit einem gräßlichen Fluch dazwischen

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)