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Zwei Tage verbrachten wir so über allen Küsten des mittelländischen Meeres. Joseph Müller hatte auf mehreren Berggipfeln Halteplätze eingerichtet, wo unser Fahrzeug mit Chemikalien gespeist wurde. Wir lernten in dieser halkyonischen Zeit eine Welt von oben kennen.

Am dritten Tage mußten wir uns wieder auf dem „Aegaeon“ einschiffen. Erstaunt bemerkten wir, daß die „Halkyone“ mit einer Kette an unsere Yacht gehängt wurde, und wir schleppten sie wie eine Leiche hinter uns her. Keiner von uns wagte, den Schiffsherrn zu fragen, was das bedeuten solle. Er sah eigenthümlich unnahbar aus. Auf hoher See befahl er, die Kette zu lösen. Das schwimmende Luftschiff war mit dem „Aegaeon“ nur durch eine dünne elektrische Schnur verbunden, die sich von der Spule endlos abwand. Schon waren wir fern von der zierlichen Luftseglerin. Was dort auf den Wellen tanzte, war anzusehen wie eine todte Möwe. Jetzt kam Joseph Müller zu uns uns sprach:

„Hier verlasse ich die „Halkyone“. Ich habe mir Wort gehalten, das war die Hauptsache, und einige Freunde, die ich schätze, wissen es. Für die Menschen im Allgemeinen will ich nichts thun; denn sie haben mich gequält, als ich arm und schwach war, und sie haben mir durch ihre Erbärmlichkeit Ekel eingeflößt, als ich erstarkte. Für die sind Korkzieher, Sparbügeleisen und Gasglühlampen genug. Die Menschen sind nicht werth, zu fliegen. Für das, was sie sind, ist Kriechen noch lange gut.“

Er drückte lächelnd auf einen Knopf. Ein Knall erdröhnte; wo die „Halkyone“ gelegen, schäumte das Wasser hoch auf, und bis zu uns flogen kleine Fetzen von der blüthenweißen Seide ihrer Flügel. Und unsere Herzen waren bekümmert, als wir weiter zogen, dahin über das weinfarbene Meer. …“

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)