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hatte sich eine stolze Yacht bauen lassen, welche er „Aegaeon“ nannte. Bei mir bestellte er die Wandfüllungen für Speisezimmer und Salon. Damals lernte ich ihn kennen. Er war ein heiterer Mann, der die Menschen verachtete und sich sein Glück eigenmächtig herstellte. Auf dem schönen „Aegaeon“ fuhr er häufig von Triest nach einer der südlichen Cykladen. Was er dort zu thun hatte, wußte Niemand. Auch seinen Vertrauten sagte er nur, daß er auf jener Insel eine neue Fabrik einrichte. Wären mir seine früheren Schicksale schon bekannt gewesen, so hätte ich vielleicht vermuthet, was er insgeheim schaffe. Ich erfuhr es erst, als er mich mit noch zwei anderen Herren zu einer Frühlingsfahrt auf dem „Aegaeon“ einlud. Unterwegs erzählte er uns seine Geschichte. Er habe ein glücklicher Erfinder sein wollen, nicht einer der Märtyrer des Fortschrittes, die man ihr Lebenlang quält, und darum sei er den praktischen Weg gegangen, vom Korkzieher bis zur Lokomotive.

Nachts langten wir vor der Insel an. Auf der Höhe des Felsens bemerkten wir die Umrisse von Gebäuden, und aus mehreren glänzte elektrisches Licht. Joseph Müller bat uns, zur Ruhe zu gehen; er selbst fuhr im Boot ans Land. Wir Drei plauderten aber noch ein Stündchen auf dem Verdeck. Plötzlich, gleichzeitig stießen wir alle Drei einen Schrei aus. Die dunkle Vordermauer des einen Gebäudes dort oben war gesunken, eine Lichtfluth sprang auf das Meer hinaus, und durch die weite Oeffnung stob, rauschte, sauste etwas Großes mit glühenden Augen ins Freie. Es war schon in der Nacht verschwunden, ehe wir zur Besinnung kamen und erschüttert ausriefen:

„Das Luftschiff!“

Nach aufgeregten Stunden, in denen wir vergeblich auf die Rückkehr des Vogels warteten, überwältigte uns

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/37&oldid=- (Version vom 1.8.2018)