Es war ein Mann, der hatte eine zänkische Frau. Sie machte ihm das Leben durch ihre jäh aufspringenden Launen recht sauer. Nun traf ihn das aber härter als andere Männer, deren Hausfrau schilt, weil er nicht nur Professor der Philosophie, sondern auch ein nachdenklicher Mensch war. Ueber alles liebte er den stillen Traum der Arbeitsstube. Wenn er im Dufte der Bücher saß und schrieb oder las, oder in guten Dämmerstunden in das Ferne hinaussann, überfiel sie ihn häufig mit einem thörichten Streit. Und wenn ihm seine Stimmung so zerrissen war, empfand er großes Mitleid mit sich selbst und lief aus dem Hause. Da pflegte er sich in seiner Betrübnis mit einem armen Hunde zu vergleichen, der umherläuft und sich nicht zu helfen weiß. Denn er war ungesellig und vertrug den Dunst und die Gespräche um den Biertisch nicht. Kehrte er dann ermattet heim, so begann der Tanz von neuem, oder es gab eine dumpfe Ruhe, in der ihm noch ängstlicher zu Muthe war. Wie das zuweilen vorkommt, lehrte er Philosophie und hatte keine.
Eines Abends trieb es die Frau Professorin ungewöhnlich arg, und statt sie mit barschen oder lustigen Worten zu bändigen, wie es ein gescheidter Mann gethan hätte, rannte der Philosoph auf und davon, entschlossen, ein Ende zu machen. Er wollte geradeaus ins Wasser,
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/240&oldid=- (Version vom 1.8.2018)