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Dem Bauer wurde die Feldfrucht entrissen, dem Städter wurde sein Eigenthum und seine Arbeit durch die Notenpresse ruinirt.

„Aha, darum rief man unseren guten König wieder zurück!“

„Nicht stark in der Geschichte, diese theure Marquise!“ lächelte der Vicomte. „Freilich, Sie waren ein kleines Kind, als das Alles sich abspielte.“

Godefroy bemerkte noch: „Und zu lernen brauchte die Marquise glücklicherweise nichts, da die alten Zeiten wiedergekommen waren.“

„O, bitte, halten Sie mich nicht für so ungebildet! Ich weiß, daß unser König nach der Revolution sich an die fremden Monarchen wendete und mit ihrer Hülfe wieder ins Land kam. Ich finde das auch sehr hübsch. Könige müssen einander solche Dienste leisten. Heute mir, morgen Dir. … Wie? Sie lachen? Es war nicht so?“

„Nein, Kind!“ sagte die Herzogin. „Nach dem Schrecken kam erst das Direktorium, das ein paar Jahre wirthschaftete und Kriege mit dem Auslande führte, bis alle republikanischen Heere besiegt wurden und die fremden Monarchen in Frankreich einzogen. Da wurden die Direktoren weggejagt, und Ludwig XVIII. gelangte auf den ihm gebührenden Thron.“

„Es konnte nicht anders kommen“, meinte nun Herr Godefroy. „Die Revolution hatte kein Regierungstalent hervorgebracht, nur Schwärmer, Schwätzer, Narren, Betrüger, Diebe und Mörder. Ein einziger tüchtiger Mensch, der verwalten, befehlen, leiten konnte, hätte die Republik möglicherweise vor dem Untergange bewahrt.“

„Oder sie in seine Tasche gesteckt“, sagte der Vicomte.

Der Akademiker nickte: „Auch denkbar! Aber wo war er, dieser Mann? Vielleicht war er da und kam nur durch

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/227&oldid=- (Version vom 1.8.2018)