entzückt auf die Schulter und sagte: „Ihr Talent möchte ich haben! Versuchen Sie es zuerst an kleineren Bühnen! Wir treffen uns wieder! Leben Sie wohl, junger Mann!“ … Das war nicht sehr zeitraubend, aber äußerst liebenswürdig und machte ihm keine Feinde.
Der Mime trat ein. Ein magerer, blasser dürftiger Bursche. Er war nicht weit her, ein armseliger Sohn dieser Stadt, sein Vater ein Schuhmacher, und er nannte sich schlechtweg Meier. Lauter Eigenschaften, die keine besonderen Sympathien erwecken können. Der berühmte Künstler lud den unberühmten ein, loszulegen. Meier legte los: Stellen aus „Don Carlos“, dann „Sein oder Nichtsein“. Schaumschlager lehnte sich zurück, kniff die Augen halb zu, nickte wiederholt wohlwollend. Schon bei den ersten Worten des Anfängers war das Urtheil fertig: Ein ganz talentloser Kerl. Und während der Jüngling in eintöniger Getragenheit fortdeclamirte, arbeiteten in Schaumschlager die bösen Gedanken über das „höchste Greisenalter“ Eberling’s weiter. Wenn man sich an ihm rächen könnte, an diesem Elenden, der immer dreister auf sein Kronprinzenthum pochte, der sogar im festlichsten Augenblicke eine höhnische Anspielung wagte! Und jeder schwindende Tag brachte den Erbfall näher – vielleicht schon in kurzer Zeit müßten alle die schönen ersten Liebhaber an den Eberling abgegeben werden. Warum? Weil er um zehn Jahre jünger war. Als ob es auf die Jugend ankäme und nicht auf das Können! Wenn das Jungsein genügte, so wäre dieser Meier da, kraft seiner zwanzig Jahre, beiden überlegen … Halt, halt! Eine Idee! Lebhaft unterbrach er den Aufstrebenden, der gerade erwog, ob es nicht edler im Gemüthe, die Pfeil’ und Schleu …
„Wie steht’s mit modernen Sachen? Haben Sie sich darin schon versucht, Herr Meier?“
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/216&oldid=- (Version vom 1.8.2018)