„Pst, Fritz, diesen Brief!“
„Was soll’s mit dem Brief?“
„Du mußt ihn unbemerkt dem Leutnant Mergenthien überbringen!“
„Max von Mergenthien?“ sagt er tonlos.
„Natürlich Max! Für mich gibt’s nur diesen Einen.“
„Für Dich gibt’s nur …?“
„Papa will zwar nichts von ihm wissen. Ich aber lasse nicht von Max, Papa kennt ihn nicht, weiß nicht, daß Max unter dem Ulanenrock ein ehrliches Herz trägt. Er ist nicht bloß schneidig, sondern auch lieb und gut, und gescheidt und gebildet.“
Fritz rafft sich zu einer ironischen Bemerkung auf: „Kurz, ein Reiter ohne Furcht und Tadel.“
Sie nimmt es ernst: „Oh ja, das ist er … Du, Fritz, Du wirst unseren brieflichen Verkehr möglich machen, da er doch jetzt leider nicht herüber kommen darf. Willst Du?“
Nicht umsonst hat sich Fritz an den griechischen Helden gebildet. Er ist eine standhafte Seele. Und darum erklärt er mit feierlicher, wenn auch etwas umflorter Stimme: „Du kannst auf mich rechnen. Ich habe Dir es ja zugeschworen.“
Da fällt sie ihm um den Hals und küßt ihn, ja wohl, sie küßt ihn: „Fritz, Du bist ein reizender Junge! …“
Bitterer Kuß, schmerzliches Wort! Als „reizender Junge“ zu gelten, wenn man großartig liebt und sich unaussprechlich unglücklich fühlt! Das ist hart! … Aber entsagungsvoll läßt er sich ein Pferd satteln und reitet hinüber nach der Garnison Max von Mergenthien’s. Der empfängt ihn strahlend vor Glück, fällt ihm ebenfalls um den Hals und ruft wahrhaftig ebenfalls: „Herr Fritz –
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/204&oldid=- (Version vom 1.8.2018)