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Nun rief der große Arzt seinen Gehülfen zu:

„Nehmt ihn den rechten Fuß ab!“

Ham nickte.

Egg fragte einfach:

„Wo, Meister?“

„Am Knie, mein Junge! … Ich muß fort, Besuche machen. Verlasse mich auf euch. Sauber arbeiten, Jungens! Der Stummel wird in Spiritus aufbewahrt. Guten Tag!“

„Guten Tag!“

– – – Das Erste, was John wieder fühlte, war ein jäher, grimmiger Schmerz im rechten Knie. Er stöhnte mit noch geschlossenen Augen. Anfangs meinte er, zu träumen. Aber der wilde Schmerz ließ nicht nach. Da blinzelte er nach seinen Füßen hin. Ha! Er sah nur noch Einen. Blitzschnell war ihm Alles klar. Boaster hatte ihm einen Fuß geraubt!

Das Glück des in schlechten finanziellen Verhältnissen lebenden Mister Ham wollte es, daß er sich just in diesem Augenblicke über den Leidenden beugte, um nachzusehen, ob er schon erwacht sei. Denn Windall verabreichte ihm eine fürchterliche Ohrfeige.

Mister Egg bemerkte hiezu collegial und philosophisch:

„Entkräftigung ist bei dem Patienten nicht eingetreten.“

Mister Ham zog sich schweigend zurück. Er hatte sofort die vermögensrechtliche Tragweite dieses Backenstreiches erfaßt. In der That wurde ihm später der Schmerz und der an seiner Ehre entstandene Schaden mit 2000 Dollars abgelöst. Windall wollte die Sache nicht vor die Gerichte kommen lassen. Wesentlich billiger war der Fußtritt, den er einem der Wärter versetzte. An diesen

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/190&oldid=- (Version vom 1.8.2018)