Diese unendlich vornehme Gebärde konnte ebensowohl: „Ich helfe jedem Leidenden, ob er nun reich oder wohlhabend sei,“ bedeuten, als auch: „Ich habe schon größere Honorare bekommen.“ Dann lehnte er sich zurück, schloß die Augen halb und fragte:
„Was fehlt Ihnen?“
„Nichts!“
„Oho!“ Boaster sah den Fremden scharf an. Ein Narr oder ein Spaßvogel? Nein. Der hielt den Blick ruhig aus. Da sagte der gefeierte Heilkünstler wohlwollend:
„Erklären Sie sich näher. Aber kurz!“
„Ganz kurz, Doktor! Ich werde Ihnen meine Lebensgeschichte erzählen.“
„Sind Sie bei Trost? … Im Salon warten siebenundvierzig Menschen.“
„Bewilligen Sie mir fünf Minuten – die Minute stellt sich Ihnen also auf 2000 Dollars. Zeit war, glaub’ ich noch nie so viel Geld.“
Der Doktor zog seine Uhr hervor:
„Sprechen Sie!“
„Als ich geboren wurde, hatte mein Vater eben seine erste Million voll. Er hatte sie in Hosenträgern verdient.“
„In Hosentr.…?“
„Ja. Eine Erfindung. Sie kennen vielleicht die Windall Braces?“
„Ich trage selber welche.“
„Ich bin John Habakuk Windall – der Sohn des Erfinders.“
Der Doktor steckte die Uhr ein.
„Mit dieser Million,“ fuhr Windall der Jüngere fort, „ging mein Vater nach Chicago und fing an,
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/184&oldid=- (Version vom 1.8.2018)