Unbehaglich bleibt ja so etwas doch. Mein Partner, ein sehr liebenswürdiger Mensch, und ich verabsäumten vor Beginn der Fechterei keine der kleinen Koketterien des Muthes. Wir scherzten leise mit unseren Sekundanten, lächelten so viel als ohne Verletzung des Anstandes möglich, und erhielten unsere Cigaretten immer in Brand. Mein Gegner blies mir sogar – um seine Seelenruhe anzudeuten – Rauchringe in die Luft. Ich bedauerte damals lebhaft, dieser Kunst nicht auch mächtig zu sein… Die Zeugen thaten mittlerweile geschäftig und wichtig. Endlich wurden wir einander gegenübergestellt, nachdem wir den Oberkörper entblößt hatten. Ich war vorzüglich disponirt. Er auch. Wir fochten beide mit fast schulmäßiger Ruhe, saßen keiner Finte auf und sahen jeden Hieb kommen. Es war ein elegantes Klirren und Glitzern der Klingen in der Luft, „bei dem aber nichts herausschaute“, wie sich einer meiner Sekundanten nach dem vierten oder fünften Gange bedauernd ausdrückte. Zugleich flüsterte er mir einige Rathschläge zu, die aus der Beobachtung der gegnerischen Gewohnheiten geschöpft waren. Ich befolgte sie im nächsten Gange und traf ihn richtig auf die Brust. Ein Haltruf. Mein Gegner lächelte freundlich und sagte: „Es ist nichts!“… Der Arzt wischte mit dem Schwamm das Blut weg und bestätigte, daß es eine leichte Wunde sei. Der Hieb war halbflach gewesen. Dann fochten wir weiter. Abermals einige erfolglose Gänge. Von einer Pause zur andern öffneten sich jedoch die Ränder dieser länglichen, seichten Wunde, die ich ihm beigebracht, und Blut sickerte hervor. Der Arzt wusch es immer weg, aber nach ein paar heftigen Bewegungen war es wieder da. Ich konnte den Blick nicht von dem rothen Streifen verwenden, der über die weiße Haut hinlief. Er
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)