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Ich kehrte in die Garderobe zurück. Ich schwieg. Was sollte ich denn thun? Ich mußte froh sein, das Unterkommen zu haben. Wo hatte ich die Aussicht, ein Engagement zu erhalten mit meiner körperlichen Erscheinung, die nicht einmal vor den Augen dieser verdorbenen kleinstädtischen Wüstlinge Gnade fand, wenn sie hereinspähten? Und obgleich es nicht mir galt, wie Lemke gespottet hatte, kam ich mir dennoch wie entehrt vor. Ich allein? Hatten nicht auch noch andere meiner Genossinnen Kenntniß von dem infamen Vorgang? Wenn eine kokett herumhüpfte oder sich zierlich gebärdete, hatte ich sie im Verdacht. Vielleicht fügte sie sich der gleichen Drohung, unter der ich verstummt war. Vielleicht paßte es ihr gar in den Kram? Zwar stieg mir der Ekel bis in den Hals, gern wäre ich auf und davon gelaufen, aber wohin, wohin? Ich blieb. Da haben Sie die versprochene Erklärung: damals lernte ich mich so schnell anziehen. Denn die Kerle hinter dem Verschlag waren alle Abende da, ich weiß nicht, ob es immer dieselben gewesen. Unser Direktor machte jedenfalls gute Geschäfte, wie ich bei Gelegenheit herausbrachte.

Denn er ließ sich dafür bezahlen.

Und sehen Sie, ich glaube, daß ich damals anfing, gut zu spielen. Psychologisch – das ist doch Euer Ausdruck? – kann ich es nicht genau erläutern. Hatte die große Erschütterung schlummernde Kräfte in mir ausgelöst, war meine Schamhaftigkeit in der Schande ertrunken? Kam die Leidenschaft meines Tones daher, daß ich immer unter dem Eindruck dieser revoltanten Dinge stand? Bewegte ich mich freier, weil ich den Zuschauern nichts mehr von mir zu verbergen hatte? Denn ob ein halbes Dutzend oder die ganze Stadt an den Astlöchern des Holzverschlags gelauert hatte, das war im Grunde gleich.

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)