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Excellenz räusperte sich: „Du drückst Dich einigermaßen derb aus, aber in unserer ungewöhnlichen Begegnung ist aller Freimuth zulässig. Und ich will nicht hinter Dir zurückstehen an Wahrheitsliebe. Mir ist es ja auch in Erfüllung gegangen, auch mehr als wonach ich verlangte. Ich kann es noch kürzer sagen als Du. Früher suchte ich Gönner, jetzt bin ich selbst ein Gönner; muß mich freilich noch beugen und werde es immer müssen. Während Du das Abenteuer Deines Reichthums erzähltest, habe ich Dich beneidet, obwohl die Bilanz nicht ganz gut ist. Wenigstens kannst Du um Dich schlagen. Unsereiner ist wie eingesperrt in seiner Ehre. Es ist, als ob man sich in einem Zimmer aufhalten müßte, dessen Wände ganz mit Spiegeln verkleidet sind, und nirgends ein bequemer Platz zum Ausruhen von sich selbst. Und macht man nur eine heftig freie Bewegung, so geht vielleicht ein Spiegel in Trümmer. Dabei gibt es Demüthigungen. Die Leute grüßen meinen Titel, meine Stellung, nicht mich. Ob ich in dem Rocke stecke oder ein Anderer, darauf kommt es wohl gar nicht an. Früher pflegte ich mich zu kränken, wenn ein Höherer mich nicht bemerkte. Das war nichts. Der tiefe Gruß der Untergebenen ist das Schlimmste. Ich weiß ja noch, warum ich jedem Vorgesetzten huldigte; sie thun es mir jetzt aus denselben Gründen… Alles keinen Schuß Pulver werth. Kinder müßte man haben, ein paar gesunde Kinder, und in der Verborgenheit leben. Der wackere Romeo hatte damals Recht.“

„Ich hatte Recht, ich hatte Recht,“ sagte der Angerufene nachdenklich und fuhr sich mit der flachen Hand mehrmals über die Glatze. „Hatte ich wirklich Recht? Ich glaube es, seit ich euch beide reden hörte; vorher war ich dessen nicht ganz sicher. Mein Ziel war weniger hoch

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/151&oldid=- (Version vom 1.8.2018)