dann zwischen Steinen zu Mehl zerrieben. Dergleichen habe ich schon manchesmal vernommen.“
Eukosmos blickte still über den Lachenden hinweg: „Ich habe keinen Acker bestellt, ich habe auch kein Korn geerntet, und darum konnte ich es auch nicht zwischen Steinen zerreiben. Dieses Mehl habe ich auf andere Art gewonnen.“
„Auf andere Art?“ murmelte Solon.
„Und es gleicht dem allerbesten Weizenmehl“, fügte Kroisos hinzu. „Die Brote, die wir heute beim Mahle hatten, waren aus diesem Stoffe.“
„Es war ein köstlicher Geschmack“, staunte Aesop.
Solon fuhr den Jüngling rauh an: „Treibe mit uns keine Possen, Knabe! Wenn sich der König auch von dir belustigen läßt, so müßte Dich die Ehrfurcht vor gereiften Männern abhalten, ihnen solchen Unsinn vorzumachen.“
Eukosmos entgegnete ruhig: „Ich weiß, Du bist Solon, und ich ehre Dich. Beim ewigen Zeus schwöre ich Dir, daß es ist, wie ich sagte. Ich habe das Mittel gefunden, ohne Feldfrucht Mehl zu erzeugen. Ich mache es aus einem Stoffe, der in der Natur in unerschöpflicher Menge vorkommt. Ich kann davon so viel herstellen, als mir beliebt, und mit kaum nennenswerther Mühe. Die Jahresarbeit vieler hundert Ackersleute kann auf meine Weise ein einziger Mann in einem Tage verrichten.“
„Nenne Dein Mittel“, sagte Solon, „oder ich verachte Dich als einen Lügner.“
Eukosmos erwiderte: „Ich besitze nichts als mein Geheimniß. Der König weiß, wofür ich es preisgeben will. Aber nur dafür, und für nichts Anderes in der Welt. Eher lasse ich mich in Stücke reißen. Ich könnte es allmählich in Gold umsetzen, wenn ich nach niederem Gewinne lüstern
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)