„Meine Antwort wird euch vielleicht nicht gefallen, aber ich gebe sie doch nach der Wahrheit. Ich will den Reichthum.“
„Das ist ein gemeiner Traum,“ sagte Wilhelm, der zuerst gesprochen hatte.
„Ach was, Du gehst auf dem Mond spazieren, ich aber auf der Erde. Ich will den Reichthum, weil er in der Gesellschaft unserer Zeit Alles ist. Du, Herr Hofrath, kannst darüber die Nase rümpfen, so viel Du willst. Was möchtest denn Du Dir vom Leben holen?“
Der junge Mensch, den sie Hofrath nannten, verkniff die Lippen ein wenig und sprach dann trocken: „Ehre!“
„Ihr seid mir die rechten Esel,“ sagte der, welcher vorhin geseufzt hatte. „Der will ein Millionär sein und der ein betitelter Herr. Und wo bleibt das Glück? Denkt ihr nicht ans Glück, so seid ihr, mit Respect gesagt, ärger als das liebe Vieh. Der Mensch soll nur das erstreben, was ihn befriedigt, wenn er es hat. Ein bürgerliches Auskommen, um die Herzallerliebste heimzuführen.“
„Sing’ mir von Deiner Lalage!“ spöttelte der angehende Millionär.
„Nein, er ist Romeo, er wird an seiner Liebe sterben,“ meinte der Hofrath.
Der Verhöhnte schrie gemüthlich: „Nach zwanzig Jahren möchte ich uns wiedersehen. Da wird sich zeigen, wer von uns der Heuochse war. Geben wir uns ein Stelldichein. Aber nicht ein so gewöhnliches wie das aller Abiturienten. Von heut’ in zwanzig Jahren sollen nur die von uns hierher wiederkommen, die wirklich erreicht haben, was sie sich vorsetzten. Werden wir alle vier da sein? Oder nur Drei, nur Zwei, nur Einer – Keiner?“
„Nicht übel!“ sagte der Millionär, „kommen soll nur,
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/143&oldid=- (Version vom 1.8.2018)