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Civil. Nicht entging es einem Manne, der unter der Maske des dümmsten August sein lauerndes Wesen und seine glühende Leidenschaft verbarg. Mister Box war in Miß Fiorentina sterblich verliebt, das wußte jeder Stallpage. Es ging sogar das Gerücht, daß er bloß darum der Gesellschaft des Herrn Madré angehöre, weil er stets in der Nähe der schönen Jongleuse bleiben wolle. Einem so dummen August steht bekanntlich die ganze Welt offen; er aber harrte unter wenig günstigen Bedingungen bei Madré aus, wegen der Geliebten.

Der Cirkus-Direktor selber erzählte dies eines Abends mit spöttischem Grinsen dem Herrn Johannes. Fiorentina war eben in der Arena, und die beiden Herren plauderten mit einander am Eingange. Die Geschichte von des Spaßmachers Liebe belustigte Bunge außerordentlich.

„Er betet sie an, und sie will absolut nichts von ihm wissen“, schloß Herr Madré seinen drolligen Bericht.

„Na, das finde ich sehr begreiflich!“ meinte der Redakteur der „Volkesstimme“ lächelnd.

„O, warum? Er ist im Privatleben ein ganz hübscher Mensch, hat auch noch eine große Zukunft. Renz oder Fernando geben ihm das Dreifache seiner jetzigen Gage, wenn er bei ihnen eintreten will“, sagte der Direktor.

Johannes Bunge raffte sich zu einer Bemerkung von großer psychologischer Feinheit auf.

„Mein lieber Direktor“, sagte er und strich dabei gedankenvoll den Bart; „mein lieber Direktor, eine Frau kann nie einen Mann lieben, über den alle Leute lachen! Das sage ich Ihnen.“

In demselben Augenblicke ertönte dicht neben den Beiden ein wohlbekannter Ruf:

„Ahi!“

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)