Treffsicherheit. Die Bunge’sche Mittheilung war die richtige. Schnepps Gemüthszustand braucht nicht erst geschildert zu werden.
Bald darauf langte der Cirkus Madré in der Residenz an. Die drei Hauptsterne: Mumbo, Mr. Box und Miß Fiorentina eroberten sich im Sturme alle Herzen. Nicht unabsichtlich ist in dieser Reihenfolge der Elephant zuerst und die schöne Frau zuletzt genannt. Denn in der Kunst entscheidet die Größe der Leistung, die Galanterie hat zu schweigen. Und wenn man den Herrn Direktor Madré – geborener Mader – gefragt hätte, ob er Mumbo oder Fiorentina vorziehe, so würde er mit einem gräßlichen Stallfluch geantwortet haben: „Mumbo“! Und doch war Miß Fiorentina ein süßes Weib von schlanker Schönheit, von einem weichen Schwung der Linien. Wenn sie hoch zu Pferde mit drei Gummibällen, einer Orange und einem scharfgeschliffenen Yatagan spielte, wenn sie diese emporgeworfenen Gegenstände graziös wieder auffing, so dachten sich alle männlichen Zuschauer: Herrgott, was hat sie für schöne Arme! … Bei Mumbo waren es nicht die körperlichen Vorzüge, welche das Publikum bethörten. Mumbo war ein gesunder Elephant in den besten Jahren, weiter nichts. Aber seine Kunst! Mumbo ließ Alles weit hinter sich, was man bisher gesehen hatte. Er tanzte mit verbundenen Augen auf dem Seil, spielte mit dem Rüssel Violine und Klavier, feuerte eine Kanone ab – ein Genie. Mumbos Produktion war darum auch immer die letzte Nummer. Es wäre ja nicht möglich gewesen, das noch durch Höheres zu überbieten… Was endlich Mister Box betraf, so war er sicherlich der Dümmste von Allen, die sich je als „dummer August“ gezeigt hatten. Wenn er „Ahi“ rief, so jauchzte das ganze Haus. Wenn er plötzlich
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/131&oldid=- (Version vom 1.8.2018)