albern sein, wie das erste Mal, sondern sie gewinnen mit Muth und Schlauheit …
Von langer Hand bereitete ich Alles vor. Die größte Chance, sie zu finden, hatte ich offenbar, wenn ich genau zur selben Zeit am selben Ort eintraf. In der Provinz ist man konservativ. Ob meine Unbekannte in Nancy selbst oder an einem anderen Orte der Umgebung wohnte – wahrscheinlich kam sie alljährlich zum weitberühmten Pfingstmarkt … Und als es sich zum dritten Male jährte, fuhr ich wieder den bekannten Weg nach Frankreich. Zögernd, im selben Zickzack, das mir ehemals die Reiselaune gezeichnet, näherte ich mich dem Ziele. Nie ward eine thörichtere Reise unternommen, als diese Pilgerschaft nach einem Lächeln. Ich sagte mir es selbst. Welche Veränderungen konnten, mußten in der Zwischenzeit vorgegangen sein!
Mit einem schwermüthigen Behagen kostete ich den Anfang jenes blassen Abenteuers noch einmal durch. Ich fuhr spät Abends am Pfingstsonntag von Baden-Baden nach Straßburg. Dann versäumte ich am Montag Morgens absichtlich den Pariser Eilzug. Dann ging ich noch einmal zurück in die feiertäglich öde Stadt. Dann stieg ich in den Bummelzug nach Nancy. Ich that, wie wenn ich einen Roman, der mich einst bezauberte, zum zweiten Male läse. Abergläubisch meinte ich, daß dann nothwendig auch dieselbe Stelle kommen müsse, an der mich jene holde Stimmung ergriffen hatte … Und sie kam.
Nancy! Helle, luftige, lustige Stadt. Gesang und junge Weiber und wehende Tricoloren. Alles wie damals. Und draußen der Jahrmarkt. Hastig und doch stockenden Fußes bin ich hinausgeschritten. Dieselben Lustbarkeiten, in Staub und Glanz gehüllt, am gleichen Ort. Da, unter
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)