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Die ehrwürdige Großmutter Klabunds („Er hat immerhin eine jüdische Großmutter“) stammt übrigens lustiger Weise von einer Lieblingsredensart des Dichters, der in seiner christlichen Arglosigkeit zu sagen pflegt: „Wenn das meine jüdische Großmutter wüßte!“ Soweit die Quellen des Herrn Bartels.

Jeder Literaturhistoriker teilt sich seinen gewaltigen Stoff gewöhnlich in Schulen und Gruppen ein, und es mag schwer genug sein, da einen gewissen Schematismus zu vermeiden. Papa Bartels hat die freundlichsten Schulen erfunden. Da gibt es Manieristen und Exotisten und Erotistinnen, und die Weltkriegssänger gar teilt er in sechs Gruppen ein: 1. Die Dichter mit größerm Namen. 2. Die ausgesprochen völkischen Dichter. 3. Die beliebten Unterhalter. 4. Die jüdischen Feuilletonisten. 5. Die neu Emporgekommenen. 6. Die Arbeiterdichter … Der Löwe ist gelb, aber großmütig.

Die Purzelbäume, die der Privatgelehrte schlägt, um von einem Dichter auf den andern zu kommen, sind ungemein lustig.

Eine weit bedenklichere Erscheinung als Wassermann ist sein Rassegenosse Oscar A. H. Schmitz.
Margarethe Böhme veröffentlichte 1905 ‚Aus dem Tagebuch einer Verlorenen‘ und darauf eigne Werke. Nicht ganz so viel Aufsehen wie das ‚Tagebuch‘ machte die nicht viel weniger bedenkliche ‚Beichte einer reinen Törin‘ von Helene v. Mühlau.

Wenn das Samuel Heintzerling noch erlebt hätte! „Knäbel, schreiben Sä einmal äns Tagebooch: Rompf, wegen kändischen onwördigen Benähmens mät zwei Tagen Karzer bestraft.“ Aber viele Tage Karzer verdiente der Schüler Bartels, der seine Schulaufgaben so unordentlich gemacht hat, daß man ihm auf Schritt und Tritt die bösesten Fehler nachweisen kann. Viele Aufzählungen sind ganz und gar unvollständig, der große wiener Psychiater heißt nicht Siegfried Freud, sondern Sigmund Freud, und wenn man alle die Ungenauigkeiten und Schiefheiten anmerken wollte, so würde dieser Klassenultimus in einem Meer von roter Tinte ersaufen.

Blei, der dem Typus nach zu den Franz Servaes und Julius Bab gehört.
Die deutsche Revolution vom neunten November 1918 ist, wie jetzt feststeht, von den Unabhängigen Sozialdemokraten unter größtenteils jüdischer Führung mit russischem Gelde gemacht worden.

Das steht jetzt fest, nachdem die am Leben gebliebenen geschlagenen Führer Zeit und Luft gewonnen haben, solche Unwahrheiten zu ihrer Entschuldigung drucken zu lassen. Auf ähnlicher Höhe bewegen sich alle allgemeinen und politischen Ausführungen. Gustav Landauer, zum Beispiel, ist nicht einfach bei der münchner Revolution „umgekommen“, sondern von Leuten in Stücke geschlagen worden, die, wenn sie lesen könnten, Herrn Bartels läsen.

Der im Irrgarten der deutschen Literatur herumtaumelnde Pogromdepp fällt Urteile wie eine höhere junge Tochter aus der besten Gesellschaft.

Mir ist Heinrich Mann immer zu wüst gewesen.
Mich hat das Erotische bei Goethe und Keller noch niemals gestört.

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Herr Adolf Bartels. Verlag der Weltbühne, Berlin 1922, Jahrgang 18, Band 1, Nummer 12, Seite 291-294, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HerrAdolfBartels.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)